Industrierabatte beim EEG laufen aus dem Ruder

13.03.2014
Caren Lay, DIE LINKE: Industrierabatte beim EEG laufen aus dem Ruder

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Ich möchte gerne auf das Thema der Industrieprivilegien zu sprechen kommen. Wir haben es gehört: Über 2 000 Industrieunternehmen sind inzwischen von diversen Bestandteilen ihrer Stromrechnung befreit, die dann die Verbraucherinnen und Verbraucher und die nicht befreiten Unternehmen für sie mitbezahlen. Das überprüft gerade die EU. Die Bundesregierung klagt dagegen. Ich habe von den Rednern der Koalition bisher fast nichts dazu gehört, außer dass sie das in der bisherigen Form verteidigt haben; denn sie haben gesagt, das sichere Arbeitsplätze und den Standort Deutschland.

Ich finde, wir müssten all denjenigen, die dieser Debatte zuhören, die ganze Wahrheit sagen. Die ganze Wahrheit bedeutet, dass die Anzahl der befreiten Unternehmen nicht nur enorm angestiegen ist, sondern dass die gesamte Konstruktion dieser sogenannten Industrierabatte auch erhebliche Pferdefüße hat. Erstens. Sozialpolitisch heißt das nichts anderes, als dass beispielsweise der Hartz-IV-Empfänger oder die alleinerziehende Mutter für den Braunkohlekonzern Vattenfall die Stromrechnung mitbezahlen. Finden Sie das sozial gerecht? Wir nicht.

Zweitens. Großbäckereien sind zum Teil von Stromkosten befreit, der Handwerksbäckerbetrieb an der Ecke ist es aber nicht. Das hat doch nichts mit dem Standort Deutschland zu tun. Das ist einfach nur wirtschaftspolitischer Unsinn.

So manches Unternehmen nimmt die derzeitige Regelung zu Industrierabatten zum Anlass, um feste Beschäftigung in Leiharbeitsverhältnisse umzuwandeln. Warum? Sie rechnen ihre Arbeitskosten künstlich herunter und können dann als Ergebnis dieser sinnlosen Regelung auch noch Stromkosten auf Kosten aller anderen Verbraucher einsparen. Das hat mit guter Arbeitsmarktpolitik überhaupt nichts zu tun. Das ist eine Einladung zum Lohndumping. Deswegen lehnen wir das ab.

Andere Firmen rechnen ihre Stromkosten künstlich hoch. Festtagsbeleuchtung am Wochenende, man lässt auch einmal eine Maschine über Nacht laufen. Am Ende wird man auch noch dafür belohnt. Wir sagen: Das ist eine Einladung zur Energieverschwendung. So wie bisher kann es nicht bleiben.

Meine Damen und Herren, zur ganzen Wahrheit gehört, dass über 5 Milliarden Euro von Otto Normalverbraucher und Erika Mustermann für die privilegierten Unternehmen an Stromkosten mitbezahlt werden. Wir müssen an die Industrieprivilegien in der bestehenden Form herangehen; denn so kann es nicht bleiben.

Herr Pfeiffer, wenn Sie hier schon den Standort Deutschland bemühen, dann möchte ich dazu etwas sagen. Wenn wir über Wirtschaftspolitik und Arbeitsplätze reden, dann möchte ich, bitte schön, dass wir auch über die 400 000 Arbeitsplätze sprechen, die im Bereich der erneuerbaren Energien in den letzten Jahren entstanden sind. Die Vorgängerregierung hat mit ihrer verfehlten Politik dafür gesorgt, dass schon Zehntausende Arbeitsplätze in der Solarbranche eingegangen sind, viele davon in Ostdeutschland. Das ist eine Form von Deindustrialisierung, die wir als Linke ablehnen.

Deswegen muss ich auch sagen: Das, was Sie derzeit in Form der EEG-Novelle vorhaben, hat mit einer nachhaltigen Wirtschaftspolitik nichts, aber auch überhaupt nichts zu tun.
Ich sage: Wenn diese Regierung nur halb so viel Energie darauf verwenden würde, das System der Industrieprivilegien zu reformieren, anstatt den Ausbau der erneuerbaren Energien zu deckeln, dann wären wir schon ein ganzes Stück weiter.

Meine Damen und Herren, auch wir Linke lehnen die Industrieprivilegien nicht komplett ab; aber wir wollen sie an sinnvolle Kriterien koppeln. Das erste Kriterium wäre, dass ein Unternehmen tatsächlich im internationalen Wettbewerb steht. Das zweite Kriterium wäre, dass ein Unternehmen technologiebedingt energieintensiv produziert. Entschuldigen Sie, das kann ich weder bei einer H-&-M-Filiale noch bei einem Golfplatz noch bei einer Saunaanlage erkennen. Das dritte Kriterium wäre da gehen wir über die Vorschläge im Antrag der Grünen hinaus: Industrierabatte kann es nur dann geben, wenn es tatsächlich verbindliche Energieeinsparziele gibt. Ansonsten bleibt es nämlich bei dieser Einladung zur Energieverschwendung, und das kann so nicht bleiben.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Dieser Vorschlag wäre EU-konform. Er wäre sozial gerecht und würde uns dieses Beihilfeverfahren ersparen. Mit unseren Vorschlägen zur Energiepolitik, die wir gestern vorgestellt haben, würde eine durchschnittliche deutsche Familie im Jahr über 180 Euro an Stromkosten sparen, ohne dass wir den Ausbau der erneuerbaren Energien aufs Spiel setzen würden. Daran könnten Sie sich vielleicht einmal ein Beispiel nehmen.

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Erschienen bei Westend / 160 Seiten Leseprobe

Über mich
Ich bin Bundestagsabgeordnete und Sprecherin für Mieten-, Bau- und Wohnungspolitik sowie für Clubpolitik.