Bankenabzocke beenden und Dispozinsen deckeln

10.10.2014
Caren Lay, DIE LINKE: Bankenabzocke beenden und Dispozinsen deckeln

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Zum wiederholten Male beschäftigt sich das Hohe Haus mit einem Antrag der Linken, der zum Gegenstand hat, dass Dispozinsen endlich gedeckelt werden sollen. Ich sage bewusst: zum wiederholten Male. Die CDU/CSU-Fraktion war in der Ausschusssitzung diese Woche so freundlich, das nachzurechnen. In der Tat, der erste linke Antrag zu diesem Thema wurde schon vor fünf Jahren eingebracht. Das wurde uns nicht nur vorgerechnet, sondern auch ein Stück weit vorgeworfen. Diesen Vorwurf kann ich aber nicht verstehen. Denn an dem Problem hat sich nichts geändert. Ich darf Ihnen versprechen, dass die Linke dort, wo Probleme bestehen, dranbleiben wird und wir das Thema Deckelung der Dispozinsen immer wieder auf die Tagesordnung setzen werden.

Das Problem ist in der Tat seit langem bekannt. Die Dispozinsen sind viel zu hoch. Wir haben nach wie vor die Situation, dass sich die Banken ihr Geld zu einem historisch niedrigen Leitzins bei der Europäischen Zentralbank leihen können. Dort liegt der Leitzins gerade einmal bei 0,05 Prozent. Aber sie verleihen es weiter zu einem durchschnittlichen Dispozinssatz von 10,65 Prozent. Dazwischen liegt eine Spanne von über 10 Prozentpunkten, wodurch sich die Banken auf Kosten der Verbraucherinnen und Verbraucher bereichern. Das ist zu viel. Das ist kein fairer Preis, und das können wir als Linke nicht akzeptieren.

In der Analyse bestand zumindest am Ende der letzten Legislaturperiode kurz vor dem Wahlkampf in diesem Hohen Haus Einigkeit. Ich bin sehr gespannt, ob wir uns wenigstens noch in der Analyse einig sind. Bisher bestand die Differenz in der Frage, wie wir mit dem Problem umgehen. Insbesondere die CDU/CSU, aber auch die FDP haben die Position vertreten, noch einmal mit den Banken zu reden. Die Ministerin hat damals die Banken zu Kamingesprächen eingeladen und es ansonsten bei freundlichen Appellen belassen. Alle diese freundlichen Appelle haben nichts genützt. Deswegen sagen wir: Die Politik muss endlich handeln. Wir brauchen einen gesetzlichen Deckel für die Dispozinsen.

Unser Vorschlag ist eine Deckelung auf 5 Prozentpunkte über dem Leitzins der Europäischen Zentralbank. Daran würden die Banken immer noch genug verdienen, aber bei fairen Preisen für die Verbraucherinnen und Verbraucher.

Deswegen möchte ich mich gerne im zweiten Teil meiner Rede mit Ihren Einwänden beschäftigen, die sicherlich gleich kommen werden. Erstens wird mit Hinweis darauf, dass man keine Preisvorschriften machen kann, infrage gestellt, ob man überhaupt eine gesetzliche Deckelung einführen kann. Ja, meine Damen und Herren, das kann man. Eine vergleichbare gesetzliche Vorschrift gibt es bereits bei den Verzugszinsen. Daran haben wir uns orientiert. Der Deckel liegt ebenfalls bei 5 Prozentpunkten. Deswegen sagen wir: Was beim Verzugszins gesetzlich möglich ist, das muss auch beim Dispo möglich sein.

Zweitens wird gerne auf den Markt verwiesen und gesagt, man solle die Verbraucherinnen und Verbraucher nicht bevormunden; das könne der Markt regeln, und jeder könne sich doch eine andere Bank suchen. Davon abgesehen, dass die Höhe des Dispozinses nicht das einzige Kriterium bei der Auswahl der Bank ist - es geht schließlich auch um ein gutes Filialnetz oder eine wohnortnahe Beratungsmöglichkeit -, empfehle ich Ihnen, diesen Test in Ihrem eigenen Wahlkreis durchzuführen. Ich habe das gemacht und mir den Landkreis Bautzen angesehen. Sie finden keine Filialbank, die einen Dispozins von unter 10 Prozent anbietet. Deswegen ist dieses Argument eine Illusion. Es läuft ins Leere.

Das verschärft sich mit Blick darauf, welche Klientel zum Großteil betroffen ist. Das sind diejenigen Menschen, die keine andere Chance haben, die vielleicht keinen Ratenkredit kriegen oder aus einer ökonomischen Notlage heraus gezwungen sind, einen Dispokredit aufzunehmen. Wenn jemand schon knietief im Dispo steckt, ist es illusorisch, zu sagen: Such dir doch eine andere Bank! - Bei welcher anderen Bank kann man in dieser Situation ein Konto eröffnen? Diese Argumentation ist nicht tragfähig.

Das, was im Koalitionsvertrag steht, und das, was vonseiten des Ministers angekündigt wurde, nämlich dass man Transparenz herstellt und dafür sorgen will, dass die Banken ausweisen, wie hoch die Dispozinsen sind, kann man durchaus machen. Aber solange keine niedrigeren Dispozinsen angeboten werden, wird das ins Leere laufen. Deswegen sagen wir: Transparenz ist gut, aber eine gesetzliche Regelung ist besser.

Das dritte und letzte Gegenargument, auf das ich eingehen möchte, lautet, die Banken brauchten die Einnahmen aus den hohen Dispozinsen wegen der hohen Kosten des Verwaltungsaufwands und wegen des hohen Ausfallrisikos. Der Verwaltungsaufwand der Banken bei einem Dispokredit kann nicht höher sein als der bei einem Ratenkredit. Zum Ausfallrisiko hat das Ministerium selbst eine Studie in Auftrag gegeben. Das Ergebnis ist: Das Ausfallrisiko bei Dispokrediten ist mit 0,3 Prozent lächerlich gering. ‑ Diese Gegenargumentation ist also nichts anderes als eine Schutzbehauptung. Diese können wir nicht akzeptieren.

Wenn Sie sich von der CDU/CSU, wie ich vermute, heute wieder gegen eine gesetzliche Deckelung des Dispozinses aussprechen, dann sollten Sie den Menschen reinen Wein einschenken. Die Stiftung Warentest hat berechnet, dass die Banken mit jedem Prozentpunkt, den sie bei den Dispozinsen ansetzen, 380 Millionen Euro im Jahr verdienen. Das heißt, wenn der Deutsche Bundestag einen gesetzlichen Deckel beschließen würde, entginge den Banken ein Milliardengeschäft. Es ist aber ein Geschäft, das unfair ist und auf Kosten der Verbraucherinnen und Verbraucher geht. Deswegen sagen wir: Schenken Sie den Menschen reinen Wein ein! Wenn Sie das nicht wollen, dann knicken Sie vor der Bankenlobby ein. Das machen wir nicht mit.

In den Bundesländern gibt es Druck. Beispielsweise im Saarland, im Heimatland des Verbraucherministers ‑ er ist offenbar nicht anwesend; aber vielleicht kann man ihm das mit auf den Weg geben ‑, hat ein entsprechendes Bürgerbegehren der Linken die erste Stufe des Volksbegehrens erreicht. Das ist ein Erfolg und sollte Ihnen ein Signal sein, endlich tätig zu werden.

Ich komme zum Schluss. Ein weiteres Argument für unser Anliegen ist: Die Verbraucherschutzministerkonferenz hat auf Vorschlag des rot-rot regierten Brandenburg eine gesetzliche Deckelung der Dispozinsen gefordert. Ich kann nur sagen: Das ist eine richtige Forderung. Folgen Sie diesem Beispiel! Setzen Sie diese Forderung der Verbraucherschutzministerkonferenz um!

Vielen Dank.

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Die Wohnungsfrage ist die soziale Frage unserer Zeit. Doch statt sie anzugehen, werden Fehlentwicklungen systematisch politisch gefördert. Wohnungen sind zu reinen Spekulationsobjekten verkommen. Hohe Nachfrage und sogenannte Zwangssanierungen lassen die Mieten explodieren und zwar nicht nur in den Großstädten, sondern auch im Umland. Menschen werden aus jahrzentelang gewachsenen, sozialen Strukturen gerissen, gentrifzierte Viertel zu Soziotopen der Besserverdienenden. Wie konnte es soweit kommen? Warum unternimmt die Politik so wenig, um Mietenwahnsinn und Spekulation endlich zu stoppen? Und was muss getan werden, damit Wohnen endlich wieder bezahlbar wird? Caren Lay nimmt die deutsche Wohnungspolitik der letzten 20 Jahre schonungslos unter die Lupe, zeigt auf, wie und warum Deutschland zum Eldorado für Wohnungsspekulation werde konnte, und liefert provokante Ideen für eine soziale Wohnungspolitik, die wir so dringend brauchen.

Erschienen bei Westend / 160 Seiten Leseprobe

Über mich
Ich bin Bundestagsabgeordnete und Sprecherin für Mieten-, Bau- und Wohnungspolitik sowie für Clubpolitik.