Raussanierungen stoppen und Mieterrechte stärken

24.06.2016
Caren Lay, DIE LINKE: Raussanierungen stoppen und Mieterrechte stärken

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vielleicht wollen Sie - bevor jetzt alle zum Sommerfest der Parlamentarischen Gesellschaft gehen - hier im Plenum noch ein wenig mit uns diskutieren; denn es geht um ein wichtiges Thema: die Rechte von Mieterinnen und Mietern.

Zwei Beispiele: In der Muskauer Straße in Berlin im Stadtteil Kreuzberg - nur wenige Autominuten von hier entfernt - wurde der halbe Block von einem britischen Investor aufgekauft. Er will das Haus sanieren, er will es modernisieren. Die Mieter haben mir freundlicherweise ihre Zahlen zur Verfügung gestellt. Einem Mieter droht durch diese Art von Entmietungsmaßnahmen, wie ich sagen würde, eine Erhöhung seiner Kaltmiete um sage und schreibe 79 Prozent.

Anderen im gleichen Haus droht eine Erhöhung der Miete um das fast Dreifache. In Prozentzahlen ausgedrückt sind es 271 Prozent. Das sind keine Einzelfälle. Wir müssen das endlich stoppen. 

Einige der betroffenen Mieterinnen und Mieter sind übrigens heute zu Gast auf der Tribüne. Ich möchte sie ganz herzlich willkommen heißen.

In einem anderen Haus, nur wenige Straßen entfernt, in der Schlesischen Straße, gibt es einen ähnlichen Fall. Eine Mieterin sagte mir: Ich kann mir die Verdoppelung meiner Miete nicht leisten. Dann muss ich ausziehen und den Stadtteil verlassen. Meine Kinder müssen aus der Kita, meine Kinder müssen die Schule verlassen. - Ihre Nachbarin ergänzte: Warum lässt es die Politik eigentlich zu, dass unser gesamter Kiez ausverkauft wird? - Ehrlich gesagt, diese Frage stelle ich Ihnen, der Koalition, vor allen Dingen der ach so familienfreundlichen CDU. Wollen Sie wirklich Familien zum Umzug zwingen? Wollen Sie zusehen, wie Kinder aus ihrer Kita, aus ihrem Stadtteil gerissen werden? Das kann doch wirklich nicht wahr sein!

Wenn Sie es nicht wollen, dann frage ich Sie: Warum lassen Sie zu, dass es derzeit in unseren Städten tausendfach passiert? Denn es sind ja keine Einzelfälle. Die Regierung sieht tatenlos zu, wie Tausende Mieterinnen und Mieter herausmodernisiert oder entmietet werden. Spekulanten und Investoren machen einen einzigen Beutezug durch unsere Städte. Die Regierung sieht tatenlos zu. Das, meine Damen und Herren, wollen wir als Linke heute endlich ändern.

Ich bin übrigens auch sehr froh, dass es sehr viele Mieterinnen und Mieter gibt, die auf die Straße gehen und sagen: Das lassen wir uns nicht mehr länger bieten. - Beispielsweise geschieht das im Kiez in Kreuzberg, wo sich spontan jede Woche Hunderte von Menschen auf der Straße versammeln. Das finde ich wirklich großartig.

Aber auch die Politik muss handeln. Die Mietpreisbremse der Regierung war ja ein einziger Flop, eine Propagandaleistung. Sie haben die Studien zur Kenntnis genommen: Selbst dort, wo sie wirkt, ist die Miete im letzten Jahr um bis zu 17 Prozent gestiegen. Das war wirklich keine gute Leistung. Deswegen muss die Mietpreisbremse auch endlich nachgebessert werden.

Auf die Zweite Mietrechtsnovelle warten wir bis heute. Minister Maas hat ja angekündigt, dass die Modernisierungsumlage abgesenkt werden soll. Das, was im Referentenentwurf steht, wird es aus meiner Sicht wirklich nicht reißen. Aber das Schlimmste ist, dass selbst dieser Vorschlag von der CDU bis heute boykottiert wird. Erst heute Mittag durften wir im Newsticker lesen, dass es in der Koalition keine Einigung gibt. Ehrlich gesagt, dieser Koalitionsstreit geht zulasten der Mieterinnen und Mieter, die wegen völlig überhöhter Modernisierungskosten aus ihren Wohnungen verdrängt werden. Bis sich die Koalition geeinigt hat, sind diese Mieter längst aus ihren Häusern geflogen. So geht es einfach nicht!

Wir legen Ihnen als Linke heute gleich drei Anträge zur Abstimmung vor. Erstens wollen wir, dass die Umlage deutlich gesenkt und perspektivisch auch überwunden wird. Energetische Gebäudesanierung ist natürlich gut; aber es ist völlig unsozial, wenn sie allein von den Mieterinnen und Mietern getragen wird.

Zweitens. Mieterinnen und Mieter müssen auch das Recht haben, sich gegen unsinnige Vorschläge wehren zu können. Nicht nur energetische Modernisierungen, sondern auch Luxusmodernisierungen sind ein ganz beliebtes Instrument der Entmietung.

Drittens muss der Mietspiegel endlich reformiert werden. In der jetzigen Form ist er ein Mieterhöhungsspiegel. Ich finde, ehrlich gesagt, die CDU sollte sich schämen, dass ihr die Rendite der Vermieter wichtiger ist als die Begrenzung der explodierenden Mieten.

Ich komme zum Schluss. Die Novelle muss endlich auf den Tisch, sonst wird es nichts mehr in dieser Legislaturperiode. Ich weiß, dass es letztlich die CDU ist, die blockiert. Deswegen haben wir heute einen Antrag vorgelegt, dem auch die SPD zustimmen könnte. Zusammen mit SPD und Grünen hätten wir eine Mehrheit dafür. Wir beantragen die Sofortabstimmung über unseren Antrag; denn dieser Beutezug durch unsere Städte muss endlich beendet werden.

Vielen Dank.

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Die Wohnungsfrage ist die soziale Frage unserer Zeit. Doch statt sie anzugehen, werden Fehlentwicklungen systematisch politisch gefördert. Wohnungen sind zu reinen Spekulationsobjekten verkommen. Hohe Nachfrage und sogenannte Zwangssanierungen lassen die Mieten explodieren und zwar nicht nur in den Großstädten, sondern auch im Umland. Menschen werden aus jahrzentelang gewachsenen, sozialen Strukturen gerissen, gentrifzierte Viertel zu Soziotopen der Besserverdienenden. Wie konnte es soweit kommen? Warum unternimmt die Politik so wenig, um Mietenwahnsinn und Spekulation endlich zu stoppen? Und was muss getan werden, damit Wohnen endlich wieder bezahlbar wird? Caren Lay nimmt die deutsche Wohnungspolitik der letzten 20 Jahre schonungslos unter die Lupe, zeigt auf, wie und warum Deutschland zum Eldorado für Wohnungsspekulation werde konnte, und liefert provokante Ideen für eine soziale Wohnungspolitik, die wir so dringend brauchen.

Erschienen bei Westend / 160 Seiten Leseprobe

Über mich
Ich bin Bundestagsabgeordnete und Sprecherin für Mieten-, Bau- und Wohnungspolitik sowie für Clubpolitik.