Endlich Mieterinnen und Mieter stärken!

29.09.2016
Caren Lay, DIE LINKE: Endlich Mieterinnen und Mieter stärken!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Die Mieten in den Großstädten explodieren. Sie stiegen in den letzten Jahren in manchen Städten um 30, 40, in Berlin mancherorts sogar um 50 Prozent. Da dürfen wir als Politik nicht länger zusehen. Diesen Mietenanstieg müssen wir bremsen. Dieser Mietenanstieg muss endlich gedeckelt werden.

Die Mietpreisbremse, die genau das eigentlich tun sollte, entpuppt sich leider immer mehr als ein Flop. Hier in Berlin zum Beispiel sind trotz Einführung der Mietpreisbremse im selben Jahr die Mieten um bis zu 17 Prozent gestiegen. Drei Studien infolge, zuletzt die des Deutschen Mieterbundes, kommen zu dem Ergebnis: Die Mietpreisbremse ist größtenteils wirkungslos. - Ich freue mich natürlich, dass es jetzt aus der SPD hieß, die Mietpreisbremse müsse nachgebessert werden. Auch von der CDU, von Herrn Luczak, hieß es, er würde sich dem nicht verweigern. Da bin ich tatsächlich gespannt.

Ich hoffe, dass diese späte Einsicht ernst gemeint ist und nicht zufällig der Tatsache geschuldet war, dass in Berlin zwei Wochen später gewählt wurde. Wir müssen einfach feststellen: An diesem Gesetz stimmt nur die Überschrift. Das muss sich endlich ändern.

Dem Vorschlag, der im Raum steht, nämlich mehr Transparenz über die Höhe der Vormiete zu schaffen, würden wir uns als Linke nicht verweigern. Ich muss aber auch ganz klar sagen: Das würde die Verantwortung natürlich immer noch beim Mieter belassen. Deswegen wäre es aus unserer Sicht viel zielführender, wenn wir endlich die ganzen Ausnahmen streichen. Egal ob bei Neubau, ob bei Modernisierung oder bei möblierten Wohnungen, streichen Sie diese Ausnahmen. Das wäre der richtige Weg.

Es kann natürlich auch nicht sein, dass ein Vermieter, der die Mietpreisbremse ganz bewusst unterläuft, nicht mit Strafen rechnen muss. Deswegen sagen wir als Linke: Wir brauchen hier empfindliche Sanktionen. Das sind wir den Mieterinnen und Mietern schuldig.

Wir dürfen sehr gespannt sein, ob in dieser Legislaturperiode von der Koalition noch etwas zu diesem Thema kommt. Unser Antrag liegt auf dem Tisch. Ich bin gespannt, wie Sie sich dazu verhalten.

Ein nächster Punkt. Seit November letzten Jahres verspricht uns Heiko Maas einen besseren Schutz von Mieterinnen und Mietern, zum Beispiel vor zu hohen Modernisierungskosten. Dieser Vorschlag - er nennt sich im Fachjargon zweite Mietrechtsnovelle - dümpelt seit einem Dreivierteljahr in den Ministerien vor sich hin. Die CDU/CSU läuft dagegen Sturm und blockt diesen Gesetzentwurf ab. Das kann einfach nicht sein.

Es gibt einen wirklich sehr guten Film. Diesen möchte ich Ihnen, der CDU/CSU-Fraktion, und auch Ihnen, Herr Luczak, ganz persönlich als eine Art kollektive Weiterbildungsmaßnahme empfehlen.

Denn ich habe nicht das Gefühl, dass Sie wirklich wissen, was in unseren Städten eigentlich los ist.

Schauen Sie sich diesen Dokumentarfilm bitte an. Er heißt Die Stadt als Beute. Er ist vom Filmemacher Andreas Wilcke und läuft im Moment in den Kinos. Der Film dokumentiert die Gier der Spekulanten und das Versagen der Politik. Er zeigt auch auf, wo das Problem bei der Modernisierungsumlage liegt. Ein Makler sagt völlig unverblümt zu Investoren: Nehmen Sie ein bisschen Geld in die Hand, machen Sie die Wohnung schön. Modernisierung ist die beste Kapitalanlage. - Leider hat er da völlig recht. 11 Prozent der Modernisierungskosten kann der Vermieter Jahr für Jahr auf die Miete umlegen. Wo sonst gibt es solch eine hohe Rendite und dann auch noch staatlich garantiert? Das muss sich endlich ändern.

Im Ergebnis heißt das doch - das wissen auch Sie -, dass der Mieter für einen neuen Balkon, den er gar nicht haben will undgegen den er sich aber nicht wehren kann, im Laufe der Zeit einmal, zweimal, dreimal und viermal an den Vermieter zahlen muss. Das hat doch mit sozialer Gerechtigkeit nichts zu tun. Das ist einfach nur Ausbeutung.

Wissen Sie, ich bin der festen Überzeugung, dass wir diese Modernisierungsumlage abschaffen müssen. Wir haben das hier schon beantragt. Das haben Sie leider abgelehnt. Wir haben heute einen neuen Antrag vorgelegt, in dem wir versuchen, das festzuhalten, was eigentlich Konsens sein müsste, nämlich zum Beispiel dass man diese Modernisierungsumlage zumindest absenkt und dass man den Mietspiegel neu berechnet; denn so, wie er bis jetzt berechnet wird, macht er Mieterhöhungen zum Gesetz. Das darf doch nicht wahr sein.

- Natürlich ist es so. Wenn man die Mieten der letzten vier Jahre in die Berechnung hineinnimmt und die Mieten in diesen vier Jahren um 30 oder 40 Prozent steigen, dann macht man Mieterhöhungen zum Gesetz. Das können Sie nicht abstreiten. So ist es einfach. Das muss sich ändern.

Das ist genau der Grund, warum wir hier eine Formulierung gewählt haben, wie sie auch die SPD wählen würde, wie sie auch im Gesetzentwurf von Herrn Maas steht. Wissen Sie, diesen Widerspruch wie gerade aus der SPD-Fraktion brauche ich jetzt wirklich nicht. Wir sagen ganz klar: Warten Sie nicht auf Ihren Koalitionspartner. Wenn Sie warten, bis die Union irgendeine Verbesserung für die Mieterinnen und Mieter vorlegt, dann wird es in dieser Legislatur nichts mehr. Ich glaube, wir können feststellen: Wenn dieses Gesetz zum besseren Schutz der Mieterinnen und Mieter nicht bald eingebracht wird, dann wird es in dieser Legislatur nichts mehr. Dann müssen die Mieterinnen und Mieter bis 2018 warten, bis sich irgendetwas verbessert. Das kann einfach nicht sein.

Wir geben Ihnen die Chance, unserem Antrag - der so formuliert ist, dass er nicht nur für uns, sondern auch für SPD und Grünen zustimmungsfähig ist - zuzustimmen, sodass er hier eine Mehrheit findet.

Da muss sich natürlich auch die Union Gedanken machen. Auch Sie müssen sich langsam einmal die Frage stellen: Machen Sie hier weiter Politik für die Kapitalanleger oder endlich einmal für die Mieterinnen und Mieter?

Das tun Sie aber nicht; das ist das zentrale Problem.

Aber auch die SPD möchte ich daran erinnern, dass für die Vorschläge, die wir gemeinsam teilen, in diesem Hohen Hause eine Mehrheit da wäre. Wir hätten ja zusammen eine Mehrheit für diesen Antrag.

Ich weiß, dass es ungewöhnlich ist, Anträgen der Opposition zuzustimmen. Sie könnten hier und heute für einen besseren Schutz der Mieterinnen und Mieter stimmen, aber aus Gründen der Koalitionsdisziplin tun sie es nicht. Erklären Sie das bitte einmal den Leuten. Das versteht, ehrlich gesagt, wirklich kein Mensch. Deswegen muss ich an die Adresse der SPD sagen: Haben Sie ein bisschen Mut, und stimmen Sie unseren Anträgen zu!

Die Mieterinnen und Mieter würden es Ihnen danken, die Wählerinnen und Wähler übrigens auch.

Vielen Dank.

Buchempfehlung:
Buchcover

Die Wohnungsfrage ist die soziale Frage unserer Zeit. Doch statt sie anzugehen, werden Fehlentwicklungen systematisch politisch gefördert. Wohnungen sind zu reinen Spekulationsobjekten verkommen. Hohe Nachfrage und sogenannte Zwangssanierungen lassen die Mieten explodieren und zwar nicht nur in den Großstädten, sondern auch im Umland. Menschen werden aus jahrzentelang gewachsenen, sozialen Strukturen gerissen, gentrifzierte Viertel zu Soziotopen der Besserverdienenden. Wie konnte es soweit kommen? Warum unternimmt die Politik so wenig, um Mietenwahnsinn und Spekulation endlich zu stoppen? Und was muss getan werden, damit Wohnen endlich wieder bezahlbar wird? Caren Lay nimmt die deutsche Wohnungspolitik der letzten 20 Jahre schonungslos unter die Lupe, zeigt auf, wie und warum Deutschland zum Eldorado für Wohnungsspekulation werde konnte, und liefert provokante Ideen für eine soziale Wohnungspolitik, die wir so dringend brauchen.

Erschienen bei Westend / 160 Seiten Leseprobe

Über mich
Ich bin Bundestagsabgeordnete und Sprecherin für Mieten-, Bau- und Wohnungspolitik sowie für Clubpolitik.