Öffentliches Wohnungsbauprogramm nach Wiener Vorbild

20.11.2018
Caren Lay, DIE LINKE: Öffentliches Wohnungsbauprogramm nach Wiener Vorbild

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Minister Seehofer hat in den letzten Wochen und Monaten in der Tat mit ungeschickten Äußerungen und manchem Skandal von sich Reden gemacht, aber eine engagierte Baupolitik gehört leider nicht dazu. Ich wette, dass die meisten Bürgerinnen und Bürger nicht einmal wissen, dass Horst Seehofer auch Bauminister ist, und das sollte Ihnen wirklich zu denken geben!

Sie haben zu Beginn Ihrer Amtszeit gesagt, dass die Wohnungsfrage die soziale Frage unserer Zeit ist. Aber was folgt daraus? Das einzig wirklich Neue, das aus Ihrem Ministerium gekommen ist, ist das Baukindergeld, aber das ist der falsche Ansatz. Denn mit dem Baukindergeld bezahlt - verkürzt gesagt - die Krankenschwester in München dem Zahnarzt auf dem Land sein Eigenheim mit ihren Steuergeldern mit. Das, meine Damen und Herren, hat mit sozialer Wohnungspolitik wirklich nichts zu tun!

Es fehlen 4 Millionen Sozialwohnungen in Deutschland. Jahr für Jahr werden es weniger, und da sollen die Gelder für den sozialen Wohnungsbau ab dem Jahr 2020 wieder gekürzt werden? Das ist doch das völlig falsche Signal.

Oder nehmen wir die Ausgaben für das Wohngeld. Sie sollen nächstes Jahr sinken. Das darf doch angesichts der Mietenexplosion nicht wahr sein!

Die Sonder-AfA, also die steuerliche Abschreibung im Mietwohnungsbau - eine Idee von Ihrem Kollegen, dem Finanzminister - ist in der „Zeit“ gestern als „Steuererleichterungen für Luxuswohnungen“ bezeichnet worden, und da hat die „Zeit“ völlig recht. Das ist kein überzeugendes Konzept, um die grassierende Wohnungsnot zu bekämpfen.

Dass es auch anders geht, beweist die Stadt Wien. Wir waren dort mit dem Bauausschuss auf Vorschlag der Linken - das war ein guter Vorschlag - zu Gast. Was haben wir dort gelernt? In München betragen die Wohnkosten im Mittel 36 Prozent des Nettoeinkommens und in Berlin 31 Prozent. In Wien sind es nur 21 Prozent des Nettoeinkommens; daran sollten wir uns orientieren, meine Damen und Herren.

Und woran liegt das? Diese vorbildliche Bilanz ist der Tatsache geschuldet, dass es einen ausgeprägten Gemeindewohnungsbau in Wien gibt und dass Genossenschaften privilegiert werden. Die Stadt Wien baut selbst. Das sollten wir uns als Vorbild nehmen. Auch in Deutschland muss endlich wieder mehr in öffentlich geförderte Wohnungen investiert werden.

Deswegen legt DIE LINKE heute ein öffentliches Wohnungsbauprogramm nach Wiener Vorbild vor. Sozialen, gemeinnützigen, kommunalen und genossenschaftlichen Wohnungsbau wollen wir mit jährlich 10 Milliarden Euro fördern. Damit könnten 250.000 neue Sozialwohnungen im Jahr entstehen. Und wir wollen Gemeinden und Genossenschaften stärken, damit sie selbst in Gemeindewohnungen und in genossenschaftliche Wohnungen investieren können. So könnten 1,5 Millionen neue Wohnungen in vier Jahren entstehen, und zwar Wohnungen im bezahlbaren Bereich, anders als im Regierungsprogramm vorgesehen. So geht soziale Wohnungspolitik, meine Damen und Herren.

Mit diesem öffentlichen Wohnungsbauprogramm könnte eine Trendwende auf dem Wohnungsmarkt eingeleitet werden. Herr Minister Seehofer, helfen Sie endlich mit, den Mietenwahnsinn zu stoppen und die Wohnungsnot zu beenden - oder beenden Sie endlich Ihr Amt!

Hier: Das Konzept öffentliches Wohnungsbauprogramm nach Wiener Vorbild als pdf zum Download. 

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Buchcover

Die Wohnungsfrage ist die soziale Frage unserer Zeit. Doch statt sie anzugehen, werden Fehlentwicklungen systematisch politisch gefördert. Wohnungen sind zu reinen Spekulationsobjekten verkommen. Hohe Nachfrage und sogenannte Zwangssanierungen lassen die Mieten explodieren und zwar nicht nur in den Großstädten, sondern auch im Umland. Menschen werden aus jahrzentelang gewachsenen, sozialen Strukturen gerissen, gentrifzierte Viertel zu Soziotopen der Besserverdienenden. Wie konnte es soweit kommen? Warum unternimmt die Politik so wenig, um Mietenwahnsinn und Spekulation endlich zu stoppen? Und was muss getan werden, damit Wohnen endlich wieder bezahlbar wird? Caren Lay nimmt die deutsche Wohnungspolitik der letzten 20 Jahre schonungslos unter die Lupe, zeigt auf, wie und warum Deutschland zum Eldorado für Wohnungsspekulation werde konnte, und liefert provokante Ideen für eine soziale Wohnungspolitik, die wir so dringend brauchen.

Erschienen bei Westend / 160 Seiten Leseprobe

Über mich
Ich bin Bundestagsabgeordnete und Sprecherin für Mieten-, Bau- und Wohnungspolitik sowie für Clubpolitik.