Ausverkauf der Städte stoppen!

09.10.2020
Caren Lay, DIE LINKE: Ausverkauf der Städte stoppen

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hier in Berlin haben sich die Mieterinnen und Mieter von über 200 Häusern zusammengetan und eine Initiative gegründet. Sie befürchten, bald aus ihren Wohnungen zu fliegen, weil diese in Eigentumswohnungen umgewandelt werden.

Diese Angst ist berechtigt; denn in den letzten vier Jahren wurden alleine in Berlin über 72 000 Wohnungen umgewandelt.

Für die betroffenen Mieterinnen und Mieter heißt das nicht selten auf kurz oder lang, dass sie ihre eigenen vier Wände verlassen müssen.

Das muss man sich mal vorstellen! Und in vielen anderen deutschen Städten sieht es nicht besser aus. Die massenhafte Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen ist zu einem Geschäftsmodell geworden, und das müssen wir endlich stoppen.

Das hatte Herr Seehofer - er ist heute bei der Debatte nicht dabei - den Mieterinnen und Mietern als Ergebnis des Wohnungsgipfels vor zwei Jahren versprochen.

Ich kann mich selber noch sehr gut daran erinnern, dass die damalige Justizministerin, Frau Barley, herausgekommen ist und den Mieterinitiativen, die vorm Kanzleramt demonstriert haben - drinnen eingeladen waren sie ja nicht -, versprochen hat, dass das Umwandlungsverbot - endlich - kommt.

Deswegen haben wir uns, ehrlich gesagt, auch gefreut, dass beim ursprünglichen Referentenentwurf von Seehofer das Umwandlungsverbot vorgesehen war. Nicht so, wie wir als Linke es uns konsequent vorgestellt hätten; aber immerhin ein erster wichtiger Schritt. Aber wie so oft ist die Immobilienlobby Sturm gelaufen, und wie so oft hat sie damit bei der Union Erfolg.

Insbesondere der Abgeordnete Herr Luczak hat sich zum Fürsprecher der Immobilienlobby gemacht, und unter seinem Druck hat die Union, hat Herr Seehofer nachgegeben, obwohl er im Ausschuss selber noch gesagt hat, dass er das Problem aus München nur zu gut kennt. Jetzt den Lobbyisten nachzugeben, meine Damen und Herren, ist ein Schlag ins Gesicht der Mieterinnen und Mieter und einfach unverantwortlich.

Dass das ausgerechnet ein Berliner Abgeordneter - aus der Mieterstadt Berlin! - macht, Herr Luczak, finde ich wirklich ein starkes Stück. Ich hätte es gut und anständig gefunden, sich heute dieser Debatte zu stellen,

anstatt einfach nur auf Twitter irgendwelche Tweets abzusetzen. Das auch noch als Erfolg zu feiern und jetzt nicht da zu sein, ist wirklich ein starkes Stück.

Ich kann nur jedem Abgeordneten der Union empfehlen, insbesondere Herrn Luczak - vielleicht hört er sich das an -: Treffen Sie sich mit den Betroffenen! Treffen Sie sich zum Beispiel mit der Initiative aus den 200 Häusern. Dann hören Sie auch auf, eine solch abgehobene Politik zu machen.

Denn das perfide Argument lautet, dass man mehr Familien den Traum vom Eigenheim ermöglichen will. Aber, meine Damen und Herren, das darf ja wohl beim besten Willen nicht auf Kosten von anderen Familien gehen, die schon eine Wohnung haben und die einfach nicht so viel Geld haben. Das geht einfach nicht.

Dieses Argument verschleiert eben auch, dass diese Massenumwandlung inzwischen zu einem Geschäftsmodell der Immobilienlobby geworden ist. Dahinter stehen richtig große Unternehmen wie die Accentro Real Estate oder die Fortis Group. Das zieht nicht nur die Mieterinnen und Mieter über den Tisch, das halst auch den Käufern völlig überteuerte Preise auf. Und am Ende profitieren davon Vereinigungen wie die Zahnärztekammer Schleswig-Holstein. Das, meine Damen und Herren, kann so nicht weitergehen. Wir müssen endlich diese Gesetzeslücken schließen. Wir müssen im Bundestag ein Umwandlungsverbot beschließen. 

Dann wird gesagt: Die Mieterinnen und Mieter sollen es selber kaufen. - Also, ehrlich gesagt, das ist ein völlig weltfremdes Argument. Von 18 000 umgewandelten Wohnungen in Berlin haben gerade mal 0,3 Prozent der Mieterinnen und Mieter das Geld aufbringen können, ihre Wohnung zu kaufen. Das ist ein völlig weltfremdes, abgehobenes Argument der Union.

Und zu guter Letzt, Frau Präsidentin, meine Damen und Herren: Wir Linke fordern nicht nur ein Umwandlungsverbot, sondern auch ein besseres und ein preislimitiertes Vorkaufsrecht für die Kommunen. Denn die Kommunen haben zu wenig Möglichkeiten, das Vorkaufsrecht zu ziehen. Die Fristen sind zu kurz, und dann müssen sie auch noch die hohen Preise der Spekulanten bezahlen. Das kann nicht gehen. Vorkaufsrecht muss für die Kommunen bezahlbar sein.

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Die Wohnungsfrage ist die soziale Frage unserer Zeit. Doch statt sie anzugehen, werden Fehlentwicklungen systematisch politisch gefördert. Wohnungen sind zu reinen Spekulationsobjekten verkommen. Hohe Nachfrage und sogenannte Zwangssanierungen lassen die Mieten explodieren und zwar nicht nur in den Großstädten, sondern auch im Umland. Menschen werden aus jahrzentelang gewachsenen, sozialen Strukturen gerissen, gentrifzierte Viertel zu Soziotopen der Besserverdienenden. Wie konnte es soweit kommen? Warum unternimmt die Politik so wenig, um Mietenwahnsinn und Spekulation endlich zu stoppen? Und was muss getan werden, damit Wohnen endlich wieder bezahlbar wird? Caren Lay nimmt die deutsche Wohnungspolitik der letzten 20 Jahre schonungslos unter die Lupe, zeigt auf, wie und warum Deutschland zum Eldorado für Wohnungsspekulation werde konnte, und liefert provokante Ideen für eine soziale Wohnungspolitik, die wir so dringend brauchen.

Erschienen bei Westend / 160 Seiten Leseprobe

Über mich
Ich bin Bundestagsabgeordnete und Sprecherin für Mieten-, Bau- und Wohnungspolitik sowie für Clubpolitik.