Baulandmobilisierungsgesetz: Einschätzung und Forderungen für Nachbesserungen des Gesetzentwurfes mit den letzten Änderungen vom 05.05.2021

06.05.2021
Baugrüst Bauen Sanieren Modernisierung Haus Fassade

Das sogenannte „Baulandmobilisierungsgesetz“ hatte ursprünglich die Intention, Kommunen mehr Möglichkeit zur Mobilisierung von Bauland zu geben und die Empfehlung der Baulandkommission umzusetzen. Darüber hinaus sollte der Gesetzentwurf Verabredungen des Wohngipfels von 2018 zur Einschränkung der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen umsetzen. Darum wurde bis zuletzt in der Koalition hart gerungen.

Bereits die Ergebnisse der Baulandkommission sowie den Referentenentwurf des Gesetzes aus dem Sommer haben wir als unzureichend kritisiert, um die Bodenpreisexplosion zu stoppen, günstigen Mietwohnraum zu erhalten und ausreichend Bauland für den sozialen Wohnungsbau zu mobilisieren. Mit dem enttäuschenden Gesetzentwurf  verpasst die Koalition die Chance einer notwendigen, umfassenden Bodenrechtsreform und verstrickt sich im Klein-Klein.

Durch das Eingreifen der Unionsfraktion im parlamentarischen Verfahren wurde das Gesetz noch zusätzlich aufgeweicht und verschlechtert. Der einzigen greifbaren Verbesserung – die preislimitierte Ausübung des Vorkaufsrechts zum Verkehrswert – stehen eine Vielzahl von kleineren und größeren Verschlechterungen gegenüber. Besonders schwer wiegt, dass die neuen Umwandlungseinschränkungen bewusst bürokratisch und kompliziert gehalten sind, erheblichen Aufwand bei Ländern und Kommunen erzeugen, zusätzliche Ausnahmen enthalten, ohnehin nur bis 2025 gelten und den Umwandlungsschutz in Milieuschutzgebieten sogar noch verschlechtern. Die erweiterten Vorkaufsrechte und Baugebote brauchen jetzt auch eine Länderverordnung, sind für weniger Gebiete anwendbar und auf fünf Jahre befristet. Die Preislimitierung beim Vorkaufsrecht auf den Verkehrswert löst das Problem der aufgerufenen Spekulationspreise nicht. Nötig ist stattdessen die Begrenzung auf einen sozialverträglichen Ertragswert, der die Kommunen nicht zu Mieterhöhungen zwingt. Vorkaufsrechte müssen außerdem auf das gesamte Gemeindegebiet ausgedehnt und die Wahrnehmungsfrist auf sechs Monate verlängert werden, damit das Vorkaufsrecht wirksam angewendet werden kann. Die Deregulierungen bei Nachverdichtungen und im Außenbereich bleiben, zulasten von Umwelt und Beteiligung der Bürger*innen.

Unter dem Strich bleibt festzuhalten, dass die Koalition einen Gesetzentwurf vorgelegt hat, der seinen Namen nicht verdient. Wie schon damals bei der Mietpreisbremse ist die BauGB-Reform Stückwerk mit großzügigen Schlupflöchern für Investor*innen. Die Mieter*innen haben das Nachsehen. Nicht zuletzt fehlen dem Gesetzentwurf wichtige Instrumente zur Begrenzung der Bodenpreise, ein Planungswertausgleich oder ein Privatisierungsstopp, um die notwendigen Schritte zu einer sozial gerechten Bodenordnung zu machen. Es braucht dringend Nachbesserungen im Gesetz. Umwandlungsverbot und Vorkaufsrecht müssen wirksam ausgestaltet werden. Zudem braucht es einen bundesweiten Bodenpreisdeckel sowie öffentliche Rückkaufprogramme für Bauland.

Vor dem Hintergrund des weitgehend enttäuschenden Gesetzentwurfs fordern wir folgende Nachbesserungen:

1. Kommunales Vorkaufsrecht ausweiten (§§ 24, 25 und 28 BauGB)

Forderung     

Ausweitung des Vorkaufsrechts auf das gesamte Gemeindegebiet,

Ausweitung des Vorkaufsrechts auf Share Deals,

Verlängerung der Wahrnehmungsfrist von drei auf sechs Monate,

Einführung eines „preislimitierten sozialverträglichen Ertragswerts“ für die Preisfestsetzung beim Vorkauf,

Preislimitierte Vorkaufsrechte auch für Hausgemeinschaften von Mieter*innen.

Begründung

Der Entwurf sieht die Ausweitung des Vorkaufsrechts auf sog. „Schrottimmobilien“ (§24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 BauGB) und auf unbebaute bzw. brachliegende Grundstücke (§25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB) vor. Letzteres aber nur, wenn die Länder per Verordnung angespannte Wohnungsmärkte feststellen. Außerdem soll die gesetzliche Frist zur Ausübung von Vorkaufsrechten von zwei auf drei Monate verlängert werden (§28 Abs. 2 Satz 1 BauGB). Wenn der Kaufpreis den Verkehrswert übersteigt, soll jetzt auch die preislimitierte Ausübung des Vorkaufsrechts zum Verkehrswert möglich sein.

Die aktuelle Bodenpreisentwicklung und die Schwierigkeiten der Kommunen, Flächen für den sozialen Wohnungsbau und für Einrichtungen der Daseinsvorsorge zu finden, ist auch eine Folge davon, dass Kommunen selbst über zu wenige Grundstücke verfügen. Um eine langfristig angelegte, aktive Bodenpolitik zu erleichtern, sollte das Vorkaufsrecht auf alle Grundstücke im gesamten Gemeindegebiet sowie auf Share Deals ausgeweitet werden. Für die aufwendige und komplexe Anwendung ist außerdem mehr Zeit nötig als die vorgeschlagenen drei Monate. Wirklich anwendbar für die kommunale Daseinsvorsorge wird das Vorkaufsrecht aber erst, wenn die Kommunen nicht spekulative Kaufpreise zahlen müssen, sondern es preislimitiert auf Grundlage eines sozialverträglichen Ertragswerts ziehen könnten. Die Preislimitierung auf den Verkehrswert reicht dafür nicht aus. Wenn Kommunen ihr preislimitiertes Vorkaufsrecht nicht ziehen, sollen das Hausgemeinschaften von Mieter*innen tun können, wenn sie sich zu Genossenschaften oder anderen gemeinwohlorientierten Trägern zusammenschließen und eine soziale Bewirtschaftung garantieren.

2. Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen wirksam einschränken (§ 250 BauGB)

Forderung

Streichung der Umsetzung der Regelungen durch Länderverordnungen,

Streichung der zeitlichen Befristung des Umwandlungsverbots,

Streichung der Ausnahmeregelung für Mieterverkäufe sowie der General-Ausnahmeklauseln bei „Nicht-Zumutbarkeit“ und „ausreichender Versorgung mit Mietwohnungen“,

Streichung der sog. 7-Jahres-Regel als zentrales Schlupfloch beim bestehen-den Umwandlungsverbot in Milieuschutzgebieten, Milieuschutz muss vorrangig bleiben,

Ausnahmsloses Verbot von Umwandlungen in Gebieten mit sozialen Erhaltungssatzungen (Milieuschutz) und in bereits festgelegten Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten.

Begründung

Die beim Wohngipfel 2018 angekündigte Einschränkung der Umwandlungen bleibt weit hinter den Erwartungen zurück. Umwandlungen werden nicht verboten, sondern nur für einzelnen Gebieten genehmigungspflichtig, und auch nur dann, wenn das Bundesland dies per Länderverordnung festgesetzt hat. Diese unzureichende Regelung gilt nur bis Ende 2025. Außerdem sieht der Entwurf großzügige Ausnahmen vor: etwa bei Verkauf von mindestens 2/3 der Wohnungen an die Mieter*innen, bei „Nicht-Zumutbarkeit“ oder wenn keine ausreichende Versorgung mit Mietwohnungen festgestellt werden kann. Der Umwandlungsschutz in Milieuschutzgebieten kann sich dadurch sogar verschlechtern.

Die Erfahrung in Milieuschutzgebieten zeigt, dass die vorgeschlagenen Ausnameregelungen, die dort schon im Wesentlichen in Kraft sind, vor allem als Schlupflöcher dienen, um Umwandlungseinschränkungen zu umgehen. Dort würde der Gesetzentwurf sogar zu Verschlechterungen führen. Denn in Milieuschutzgebieten verbietet die sog. 7-Jahres-Regel zumindest für diesen Zeitraum den Verkauf umgewandelter Wohnungen an andere als die Mieter*innen. Nun soll ermöglicht werden, dass umgewandelt und ein Drittel der Wohnungen sofort verkauft werden können, wenn die Eigentümer*innen bloß ankündigen, dass sie die restlichen Wohnungen nur an die Mieter*innen verkaufen. Die Kommune kann den sofortigen Verkauf durch einen zusätzlichen Genehmigungsvorbehalt verhindern, muss es aber nicht. Nach viereinhalb Jahren läuft die Regelung – und damit auch die Verpflichtung zum Verkauf an die Mieter*innen – ohnehin aus.

Um die Verwandlung oft bezahlbarer Mietwohnungen in Kapitalanlagen zu unterbinden, ist ein ausnahmsloses Umwandlungsverbot in allen Gebieten nötig, in denen schon nachweislich hoher Verdrängungsdruck herrscht: in den „angespannten Wohnungsmärkten“, in denen die Mietpreisbremse und die abgesenkte Kappungsgrenze gelten, sowie in allen Milieuschutzgebieten. Dafür muss die sogenannte 7-Jahres-Regel gestrichen werden. Die Kommunen sollten darüber hinaus aber auch selbstständig Gebiete festlegen dürfen, in denen Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen nur ausnahmsweise erlaubt werden. Die Klausel für Mieter-Verkäufe wollen wir durch eine Verkaufsklausel für Hausgemeinschaften ersetzen, die das Haus z.B. in eine Genossenschaft oder ein gemeinnütziges Wohnungsunter-nehmen überführen wollen.

3. Unbefristete Einführung sektoraler Bebauungspläne (§9 Abs. 2dBauGB)

Forderung

Streichung der Befristung bis Ende 2024.

Begründung

Das neue Instrument ermöglicht es den Kommunen in § 34-Gebieten, auf die sie vorher kaum planerischen Zugriff hatten, Flächen für den Bau von Wohnungen und von Sozialwohnungen festzusetzen. Eine solche Eingriffsmöglichkeit ist grundsätzlich zu begrüßen und sollte deshalb nicht befristet werden. Langfristig müssen jedoch flächendeckende Baupläne über das gesamte Gemeindegebiet gelegt werden. Dadurch können Kommunensoziale Vorgaben für die Bebauung in der gesamten Gemeinde zu tätigen. Hierzu bedarf es eine bessere Personalausstattung in den Planungsbehörden, die vom Bund zu unterstützen ist.

4. Keine Verlängerung des § 13 b – erleichterte Bebauung im Außenbereich

Forderung

Streichung des Paragraphen 13 b.

Begründung

Die Schleifung von Umwelt- und Beteiligungsauflagen bei der Bebauung im Außenbereich war schon bei der Einführung 2017 ein schlimmer Fehler, der nun nicht verlängert werden sollte. Der §13b läuft den Zielen der Innenentwicklung und eines geringeren Flächenverbrauchs ebenso wie einer besseren Beteiligung der Bewohner*innen vollkommen entgegen.

5. Stärkung des Baugebots (§ 175 Abs. 2, §176 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 3 BauGB)

Forderung     

Ausweitung der Anwendbarkeit des Baugebots auf das gesamte Gemeindegebiet,

Dringlicher Wohnbedarf auch als Tatbestand für die Ausübung des Modernisierungs- und Instandhaltungsgebots festlegen,

Abschaffung des Ausnahmetatbestands bei Weitergabe an Verwandte,

Übernahmemöglichkeit der Gemeinde zu sozialverträglichem Ertragswert einführen,

Umkehrung der Beweislast bei wirtschaftlicher Nicht-Zumutbarkeit.

Begründung

Grundsätzlich ist die Ausweitung des Baugebots (verbesserte Anwendbarkeit des Baugebots in angespannten Wohnungsmärkten, die allerdings erst durch eine neue Länderverordnung festgestellt werden müssen) zu begrüßen, jedoch drohen auch hier die Einschränkungen die Wirksamkeit des Instruments auszuhöhlen. In den ersten fünf Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes kann ein Baugebot nicht durchgesetzt werden, wenn Eigentümer eine künftige Weitergabe an Verwandte ersten Grades glaubhaft machen. Diese Ausnahmerege-lungen drohen das Baugebot weitgehend auszuhöhlen.

Die Durchsetzung der Baugebote hängt letztlich an der glaubhaften Drohung der Kommunen, die Grundstücke zu kaufen. Ohne eine Preislimitierung wird dies für die Kommunen jedoch kaum möglich sein. Zudem soll der Eigentümer selbst nachweisen müssen, dass ihm die Bebauung wirtschaftlich nicht zumutbar ist. Im Referentenentwurf war zudem vorgesehen, dass Modernisierungs- und Instandhaltungsgebot auch bei vorliegendem dringendem Wohn-bedarf der Bevölkerung anwenden zu können. Diese Ergänzung des §175 Abs. 2 nicht im Gesetzentwurf enthalten, ist jedoch ein sinnvolles Instrument und muss ergänzt werden. Darüber hinaus muss das sinnvolle Instrument des Bau-gebots im gesamten Gemeindegebiet angewendet werden können.

6. Planungswertausgleich einführen

Forderung

Das Instrument des Planungswertausgleichs wird in einer Höhe von 70% der planungsbedingten Wertsteigerungen eingeführt.

Begründung

Durch Planungsleistungen der Kommune erfahren Grundstücke oftmals einen großen Wertzuwachs. Obwohl die Eigentümer*innen dazu keinen Beitrag leisten, profitieren sie als einzige von den Wertsteigerungen. Das Instrument des Planungswertausgleichs schöpft einen Teil der Planungswertgewinne ab. Dieses Geld fließt den Kommunen zu. Als einen Teilschritt hin zu einer sozial gerechten Bodenordnung fordern wir einen Planungswertausgleich in Höhe von 70% der planungsbedingten Wertsteigerungen.

7. Clubsterben stoppen! Clubs als Kultur anerkennen und schützen (BauNVO, Experimentierklausel Lärmschutz, Kulturschutzgebiete in § 172 BauGB)

Forderung

Kulturschutzgebiete sollen geschaffen werden. Der Schutz von Kultureinrichtungen, wie Clubs, muss Teil als Teil der Erhaltungsordnung (§172 BauGB) werden,

Auch Kleingewebe ist vor Verdrängung zu schützen. Auch sie können in die sozialen Erhaltungssatzungen integriert werden,

Ausweisung von „Experimentierflächen“ für alternatives Kulturleben ermöglichen.

Begründung

Der von allen demokratischen Fraktionen getragene Entschließungsantrag fordert die Anerkennung von Clubs als Kulturstätten in der Baunutzungsverordnung und die Einführung der auch von den Ländern geforderten Experimentierklausel Lärmschutz. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, um Clubs und Livespielstätten vor der Verdrängung zu schützen. Abzuwarten bleibet ob es auch tatsächlich von der Regierung umgesetzt wird – die Legislatur neigt sich dem Ende zu.

Uneingelöst bleibt die Forderung, existierende Kultureinrichtungen auch durch die Einbeziehung in die Erhaltungsordnung § 172 BauGB im Bestand geschützt werden. Das gleiche gilt für Kleingewerbe und alteingesessene Läden, die ebenfalls verdrängt werden. Damit ohne bürokratische Hürden alter-native Kulturveranstaltungen unter freiem Himmel stattfinden und die wenige noch verbliebenen Wagenburgen weiter bestehen können, muss der Gesetzgeber den Rahmen für die Ausweisung von Experimentierflächen schaffen, da-mit die Kommunen mehr Freiräume haben, Orte für Open Airs, Wagenburgen etc. zu legalisieren.

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