Zwangsräumungen verhindern, Obdachlose sicher unterbringen!

26.02.2021
Caren Lay, DIE LINKE: Zwangsräumungen verhindern, Obdachlose sicher unterbringen!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! 22 Kältetote allein in diesem Jahr! Seit zehn Jahren sind nicht mehr so viele Menschen auf Deutschlands Straßen erfroren wie in diesem Winter. Das ist doch wirklich skandalös. Das ist eine Schande für so ein reiches Land.

Fast 50 000 Menschen sind obdachlos und leben auf der Straße, knapp 700 000 haben keine eigene Wohnung; die Tendenz ist steigend. Da dürfen wir nicht länger zuschauen.

Das Einzige, was diese Regierung in den letzten Jahren hingekriegt hat, ist die Wohnungslosenstatistik. Dass es sie gibt, ist ja auch gut. Herr Witt, wir fordern die hier als Linke übrigens schon über zehn Jahre, und wir fordern auch seit über zehn Jahren ein Konzept gegen Wohnungslosigkeit; das haben Sie nur nicht mitbekommen. Es ist auch gut, dass diese Statistik kommt. Aber dabei können wir doch nicht stehen bleiben; denn vor Kälte und vor Schnee schützt sie eben nicht.

Deswegen haben wir als Linke diese Debatte heute beantragt und eigene Vorschläge gemacht, und ich wundere mich schon, von welch hohem Ross die Union hier heute redet; denn von Ihnen ist in dieser Frage wirklich noch überhaupt nichts bekommen.

Wie kann es sein, dass in Wohnungslosigkeit immer noch geräumt wird? Wie kann es sein, dass selbst während der Pandemie Zwangsräumungen stattfinden? Ich habe bei der Regierung mal nachgefragt. Im Jahr 2019 wurden die Wohnungen von 50 000 Menschen zwangsgeräumt, und wir predigen hier „Stay at home“, also „Bleibt zu Hause“. Allein in Hamburg wurden im letzten Jahr 600 Menschen aus ihren Wohnungen geräumt. Das kann doch nicht sein! Das ist doch einfach unverantwortlich!

Genau deswegen fordern wir als Linke, Zwangsräumungen während der Pandemie auszusetzen, und wir wollen grundsätzlich nicht, dass Menschen in die Wohnungslosigkeit geräumt werden. So geht es nicht!

Und: Ja, während der Pandemie stehen die meisten Hotels leer. Lassen Sie uns doch wenigstens in der Pandemie Hotels für Wohnungslose öffnen! Die linke Sozialsenatorin in Berlin hat übrigens damit angefangen, und sie bezahlt die Hotels dafür. Damit das auch andere tun, sollte man denjenigen, die sich weigern, tatsächlich sagen: Wenn Coronahilfen in Anspruch genommen werden, dann muss das auch an die Aufnahme von Bedürftigen geknüpft werden.

Leider stoßen die Kommunen, die das machen wollen - wenn sie beispielsweise Leerstand für Obdachlose öffnen wollen -, immer wieder an rechtliche Grenzen. Deswegen muss der Bund die Beschlagnahmung von Leerstand im Interesse der Bedürftigen erleichtern.

Mit dieser Forderung stehen wir als Linke nun wahrlich nicht alleine da. Das fordern 13 Straßenzeitungen, 118 000 Menschen haben unterschrieben, und Margot Käßmann hat die Unterschriften übergeben. Und was sagt sie? Es ist eine Frage - Zitat - „der Christenpflicht und Nächstenliebe, Menschen in Einzelunterkünften unterzubringen“. Ihre Worte möchte ich heute insbesondere den christlichen Parteien ans Herz legen.

Wir brauchen endlich auch einen besseren Kündigungsschutz. Es kann doch nicht sein, dass jemandem, der seinen Rückstand ausgeglichen hat, ordentlich gekündigt wird. Wir hatten kürzlich eine Anhörung im Rechtsausschuss dazu. Da waren sich wirklich alle ernstzunehmenden Expertinnen und Experten einig. Passiert ist seither nichts.

Einen Kündigungsschutz im Lockdown gab es nur im ersten Lockdown, bis zum Sommer. Eine Verlängerung hat die Koalition nicht hinbekommen. Das ist peinlich und für die Betroffenen einfach nur noch tragisch.

Zu guter Letzt: Natürlich brauchen wir einen Neustart beim sozialen Wohnungsbau. Die Anzahl der Sozialwohnungen ist doch auf einem historischen Tiefststand, und Bauminister Seehofer sagte vorgestern bei der Konferenz, wir hätten beim sozialen Wohnungsbau schöne Ergebnisse. Das ist einfach nur noch zynisch.

Die Wohnungs- und die Obdachlosenhilfe sind systemrelevant, und sie müssen endlich mehr unterstützt werden.

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Die Wohnungsfrage ist die soziale Frage unserer Zeit. Doch statt sie anzugehen, werden Fehlentwicklungen systematisch politisch gefördert. Wohnungen sind zu reinen Spekulationsobjekten verkommen. Hohe Nachfrage und sogenannte Zwangssanierungen lassen die Mieten explodieren und zwar nicht nur in den Großstädten, sondern auch im Umland. Menschen werden aus jahrzentelang gewachsenen, sozialen Strukturen gerissen, gentrifzierte Viertel zu Soziotopen der Besserverdienenden. Wie konnte es soweit kommen? Warum unternimmt die Politik so wenig, um Mietenwahnsinn und Spekulation endlich zu stoppen? Und was muss getan werden, damit Wohnen endlich wieder bezahlbar wird? Caren Lay nimmt die deutsche Wohnungspolitik der letzten 20 Jahre schonungslos unter die Lupe, zeigt auf, wie und warum Deutschland zum Eldorado für Wohnungsspekulation werde konnte, und liefert provokante Ideen für eine soziale Wohnungspolitik, die wir so dringend brauchen.

Erschienen bei Westend / 160 Seiten Leseprobe

Über mich
Ich bin Bundestagsabgeordnete und Sprecherin für Mieten-, Bau- und Wohnungspolitik sowie für Clubpolitik.