Linken-Politikerin Lay: Mieterinnen und Mieter sind ohnmächtig

Die linke Bundestags­abgeordnete Caren Lay hat ein Buch geschrieben. Der Titel lautet: „Wohnopoly: Wie die Immobilien­spekulation das Land spaltet und was wir dagegen tun können“. Im RND-Interview spricht sie über ihre Motive und die Situation der Mieterinnen und Mieter.

Frau Lay, Sie haben als Bundestags­­abgeordnete der Linken ein Buch geschrieben. Warum eigentlich? Sie haben doch auch sonst die Möglichkeit, sich Gehör zu verschaffen.

Ich habe das Buch aus zwei Gründen geschrieben. Ich wollte die Mieter­bewegung unterstützen und mich für ihre Rechte einsetzen. Dabei wollte ich eine Art Handbuch schreiben für eine gerechte Wohnungs­politik. Der entscheidende Grund war aber, dass ich mich seit Jahren mit dem Thema beschäftige und sich nichts ändert. Ich wollte analysieren, warum das so ist, und sich die Interessen der Mehrheit nicht durchsetzen. Dabei berichte ich über viele eigene Erfahrungen, die Macht der Lobby und die Ohnmacht der Mieterinnen und Mieter.

Wie ist denn die Lage auf dem Immobilien­markt aus Ihrer Sicht?

Die Mieten in den Metropolen erreichen ungeahnte Höhen und steigen immer weiter an. Das ist auch einer der Gründe dafür, dass die aktuelle Energiepreis­krise viele Menschen so hart trifft. Denn die Energie­preise kommen auf die Mieten noch obendrauf.

Wie ist es zu dieser Lage gekommen?

Das hängt vor allem damit zusammen, dass die großen Wohnungs­unternehmen und Fonds so viel Macht haben und in vielen Städten für Mieter mit wenig Geld häufig das einzige Angebot sind. Das wiederum ist eine deutsche Besonderheit und hängt mit der rot-grünen Steuer­reform unter dem damaligen Kanzler Gerhard Schröder zusammen. Er hat den Handel mit Immobilien quasi steuerfrei gestellt und die großen Fonds damit faktisch auf den Mietmarkt eingeladen. Sie fungieren seitdem als Preistreiber auf dem Wohnungs­markt. Der zweite große Kardinal­fehler war die Abschaffung der Wohnungs­gemeinnützigkeit durch Helmut Kohl.

Inwiefern?

Früher war ein Teil des Wohnungs­marktes nicht profit­orientiert. Kohl hat die Steuer­vorteile für die kommunale und genossenschaftliche Wohnungs­wirtschaft abgeschafft. Heute liegen diese Vorteile bei Fonds und Konzernen. Das ist absurd. Man muss das Steuerrecht wieder vom Kopf auf die Füße stellen. Stattdessen müssen Wohnungs­politiker heute nach Wien fahren, wo die Situation deutlich besser ist, um sich anzuschauen, wie Wohnungs­gemeinnützigkeit bis 1990 auch in Deutschland funktioniert hat.

Was lässt sich aus Ihrer Sicht tun?

Ich mache neun Vorschläge. So brauchen wir unter anderem einen atmenden Mieten­deckel, der dann greift, wenn das Mietpreis­niveau in bestimmten Städten außer Rand und Band gerät. Wir müssen außerdem die Gemein­nützigkeit von Wohn­eigentum wieder­einführen. Und schließlich müssen wir die Fonds und Konzerne aus dem Wohnungs­markt verdrängen. Ein erster Schritt bestünde darin, ihnen die Steuer­vorteile und die Möglichkeit von Mieterhöhungen zu nehmen. Klar ist für mich: Wohnungen gehören nicht an die Börse.

Sie sprachen eben davon, dass Sie beim Schreiben des Buches bestimmte Erfahrungen gemacht hätten. Welche waren das?

Ich mache Erfahrungen, welche Macht die Lobby hat. Sie ist geprägt von parlamentarischen Frühstücken und Abendessen, bei denen versucht wird, Politikerinnen und Politiker um den Finger zu wickeln und dabei die Stand­punkte der Wohnungs­wirtschaft durchzusetzen, statt die der Mieter. Ich analysiere außerdem die Finanzströme der Immobilien­wirtschaft an Parteien und habe das Lobbyregister ausgewertet. Dabei habe ich festgestellt, dass vier Lobbyisten der Mieterseite 144 Lobbyisten der Immobilien­wirtschaft gegenüber­stehen. Finanziell ist das Verhältnis noch krasser. Da wundert mich gar nichts mehr.

Wie groß ist die Chance auf Veränderung in Ihrem Sinne?

In dieser Legislatur­periode sieht es leider nicht gut aus. Denn das Thema kommt im Koalitions­vertrag der Regierung kaum vor. Für Mieter und Mieterinnen hat niemand gekämpft. Aber es gibt eine starke Mieter­bewegung. Und die aktuelle Situation ist eine tickende Zeitbombe. Ich hoffe, dass wir in Zukunft den notwendigen Druck entfalten können, um das zu ändern.