Mutlose Frauenquote ist ein Quötchen

06.03.2015
Caren Lay, DIE LINKE: Mutlose Frauenquote ist ein Quötchen

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Es ist schon ein bisschen die Woche der klitzekleinen Fortschritte.

Gestern ging es um ein Mietpreisbremschen, und heute diskutieren wir ein Frauenquötchen.

Wissen Sie, eines ist völlig unstrittig: Die Frauenquote für die Wirtschaft ist längst überfällig.

Die jahrelangen Appelle an die Wirtschaft haben nichts genutzt. Selbstverpflichtungen haben nicht geholfen. In den meisten Führungsetagen gibt es nicht per Gesetz, aber doch in der Praxis eine Männerquote von gut und gerne 80 Prozent. Das müssen wir wirklich ändern.

Viele Frauen scheitern auf dem Weg nach oben nicht etwa daran, dass sie schlechter ausgebildet sind oder weniger können, sondern sie scheitern an Männerbünden in den Vorstandsetagen und an der unsichtbaren gläsernen Decke. Auch das kann tatsächlich nur eine Quote beheben. Deswegen freuen wir uns natürlich im Prinzip, dass die Quote für die Privatwirtschaft endlich kommt.

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, bei Lichte betrachtet muss man natürlich unterm Strich feststellen, dass die feste Quote gerade einmal für 180 Frauen in dieser Republik kommt. 180 Frauen in dieser Republik dürfen sich jetzt über die Quote, die wir heute beschließen, freuen.

Ich finde, das ist besser als nichts, aber ich finde auch, da wäre mehr drin gewesen.)

Für die restlichen 3 500 Unternehmen, die entweder börsennotiert oder mitbestimmungspflichtig sind, soll es lediglich Zielgrößen geben. Dazu sagen wir: Das ist eigentlich nichts anderes als die Selbstverpflichtung im neuen Gewand, und die ist schon einmal gescheitert. Deswegen sagen wir als Linke ganz deutlich: Eine wirkliche Frauenquote muss für alle Unternehmen gelten.

Gerade weil wir hier tatsächlich über gerade einmal 180 Frauen reden, die von diesem Gesetz profitieren werden, kann man sich natürlich schon fragen: Warum eigentlich der ganze Widerstand? Warum mussten die Frauen aus Initiativen und Verbänden sowie aus allen Fraktionen so lange dafür kämpfen? Der ganze Widerstand, der vor allen Dingen aus Wirtschaftskreisen kam, aber auch aus der Union mitgetragen wurde, begleitet auch von dem einen oder anderen sexistischen Spruch, war einfach völlig unangemessen und steht in gar keinem Verhältnis zu dem, was im Gesetzentwurf tatsächlich geregelt wird.

Jetzt schreiben wir heute für die 108 Unternehmen eine feste Frauenquote von 30 Prozent vor. Warum so zaghaft? Wir hätten uns schon gefreut, wenn wir hier eine Frauenquote von 50 Prozent hätten beschließen können. Ich stelle fest - das ist in der Tat begrüßenswert -, dass in dieser Frage die Debatte tatsächlich weitergegangen ist. Das erkennt man, wenn man - vor ein paar Tagen habe ich das gemacht - beispielsweise die Lokalzeitungen aufschlägt. Da ging es um den Schützenverein im niederbayerischen Obergessenbach. Der hat sich in der Lokalpresse damit gerühmt, dass er einen neuen Vorstand gewählt und eine Frauenquote von fast 50 Prozent eingeführt hat.

Dazu muss ich sagen: Daran hätte sich die CSU in den letzten Jahren einmal ein Beispiel nehmen können. Diese Praxis, die es jetzt in Niederbayern gibt, hätte auch locker bundesweit zur Geltung kommen können.

Leider, verehrte Kollegen aus der Union, ist der Fortschritt mit Ihnen eine Schnecke. Wenn wir mit dieser Geschwindigkeit weitermachen, müssen wir noch weitere 100 Jahre warten, bis wir endlich eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in allen Unternehmen haben. Hier, liebe Kolleginnen und Kollegen, müssen wir einfach noch ein bisschen mehr Tempo machen.

Es ist uns unverständlich ‑ das wird ja auch von Gewerkschaftsseite heftig kritisiert ‑, dass die 30-Prozent-Quote für den gesamten Aufsichtsrat gelten soll. Das Problem ist, dass die Quote von der Arbeitnehmerseite häufig schon eingehalten wird, von der Kapitalseite aber so gut wie gar nicht. Bei einer Gesamtbetrachtung kann sich die Arbeitgeberseite also ein Stück zurücknehmen und muss an diesem Fortschritt selber nicht teilhaben. Deswegen sagen wir: Die Gesamtbetrachtung des Aufsichtsrates ist eine falsche Regelung. Man hätte das mit minimalem Aufwand ändern können. Ich verstehe nicht, warum wir das heute nicht einfach tun.

Ich finde es auch sehr bedauerlich, dass bei Nichteinhaltung der Quote eigentlich nichts folgt. Wenn die 108 Unternehmen die Quote nicht einhalten, heißt das: Der Stuhl bleibt leer. Bei den anderen 3 500 Unternehmen folgt bei Nichteinhaltung der Quote im Grunde nichts. Das macht die sogenannte Flexiquote endgültig wirkungslos.

Meine Damen und Herren, trotz all dieser Einschränkungen begrüßen wir natürlich den ersten Einstieg in eine Frauenquote in der Privatwirtschaft und können diesem Teil des Gesetzentwurfs bei einer getrennten Abstimmung auch zustimmen.

Aber leider ändern Sie ohne Not ‑ mir erschließt sich nicht, warum ‑ gute Gesetze zum Schlechteren. Ja, Sie hören richtig: Die Einführung der Frauenquote in der Privatwirtschaft wird erkauft mit einer deutlichen Verschlechterung im öffentlichen Dienst. Das finde ich wirklich absurd.

Eine bestehende Quote von 50 Prozent bei Bundesgremien wird nun auf 30 Prozent gesenkt. Es ist völlig klar, dass es an der Umsetzung der Quote hapert; aber die Quote abzusenken, anstatt zu schauen, wie wir sie durchsetzen können, ist nun wirklich der falsche Weg.

Noch umstrittener sind die Änderungen im Bundesgleichstellungsgesetz. Hier ging es um die klassische Frauenförderung. Nach einem neumodischen Grundsatz der Geschlechteransprache soll es nun darum gehen, dass nicht länger Frauen gefördert werden, sondern das jeweils unterrepräsentierte Geschlecht, also beispielsweise im Vorzimmer die Männer.

In der Anhörung ist Ihnen diese sogenannte Männerquote ordentlich um die Ohren geflogen. Ich muss sagen, dass ich wirklich selten eine Anhörung erlebt habe, in der ein Gesetzentwurf von den Sachverständigen, die von den Koalitionsfraktionen benannt wurden, so eindeutig verrissen wurde. Diese Männerquote ist nichts anderes als die Verkennung der Tatsache, dass es Frauen sind, die immer noch strukturell benachteiligt werden, wie es die Regierung selber feststellt. Aber wir sind froh, dass im Ausschuss mit einem Änderungsantrag auf den letzten Metern zumindest dafür gesorgt wurde, dass die diesbezügliche Formulierung vielleicht nicht mehr verfassungswidrig ist, was viele Sachverständige befürchtet haben. Aber es ist noch völlig unklar, was die neue Formulierung in der Praxis bedeutet.

Ich möchte ganz ehrlich sagen: Auch wir begrüßen einen Ansatz, der Männer mitnimmt. Auch ich fände es sehr begrüßenswert, wenn wir mehr Männer in Vorzimmern, als Grundschullehrer oder als Kindergärtner hätten. Die Frage ist nur: Wie kann man das tatsächlich regeln? Die Männer sind in diesen Berufen ja nicht deswegen unterrepräsentiert, weil sie strukturell benachteiligt sind, sondern weil diese Berufe so schlecht bezahlt sind. Deswegen sagen wir: Sorgen Sie für eine bessere Bezahlung in diesen Berufen! Das ist der beste Weg, damit sich endlich mehr Männer für diese Berufe bewerben.

Meine Damen und Herren, zum Schluss möchte ich noch sagen, was aus meiner Sicht der richtige Weg gewesen wäre: Wir als Linke fordern eine Frauenquote von 50 Prozent

ohne Wenn und Aber, die nicht nur für die Aufsichtsräte, sondern bitte schön auch für die Vorstände gelten sollte.

Das wäre konsequent. Ich finde es bedauerlich, dass wir uns darauf heute nicht verständigen können.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

Buchempfehlung:
Buchcover

Die Wohnungsfrage ist die soziale Frage unserer Zeit. Doch statt sie anzugehen, werden Fehlentwicklungen systematisch politisch gefördert. Wohnungen sind zu reinen Spekulationsobjekten verkommen. Hohe Nachfrage und sogenannte Zwangssanierungen lassen die Mieten explodieren und zwar nicht nur in den Großstädten, sondern auch im Umland. Menschen werden aus jahrzentelang gewachsenen, sozialen Strukturen gerissen, gentrifzierte Viertel zu Soziotopen der Besserverdienenden. Wie konnte es soweit kommen? Warum unternimmt die Politik so wenig, um Mietenwahnsinn und Spekulation endlich zu stoppen? Und was muss getan werden, damit Wohnen endlich wieder bezahlbar wird? Caren Lay nimmt die deutsche Wohnungspolitik der letzten 20 Jahre schonungslos unter die Lupe, zeigt auf, wie und warum Deutschland zum Eldorado für Wohnungsspekulation werde konnte, und liefert provokante Ideen für eine soziale Wohnungspolitik, die wir so dringend brauchen.

Erschienen bei Westend / 160 Seiten Leseprobe

Über mich
Ich bin Bundestagsabgeordnete und Sprecherin für Mieten-, Bau- und Wohnungspolitik sowie für Clubpolitik.