EEG-Reform greift in die Taschen der Stromkunden

08.05.2014
Caren Lay, DIE LINKE: EEG-Reform greift in die Taschen der Stromkunden

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Herr Minister Gabriel, ich muss mich über die Aussagen, die Sie heute zu den Industrierabatten gemacht haben, schon wundern. Vor ein paar Monaten ‑ im Dezember; das ist ja noch nicht so lange her ‑ wurden Sie noch mit völlig anderen Aussagen zitiert.

Dort hieß es: „Man kann die Ausnahmeregelungen“ ‑ gemeint waren die Industrierabatte – „deutlich reduzieren, das haben wir auch schon im Wahlkampf gesagt, dass das sein muss. Das, was früher FDP und CDU da gemacht hatten, war viel zu groß.“

Das ist offenbar lange her und längst vergessen; denn in der Zwischenzeit haben Sie sich damit gebrüstet, dass Sie die ganze Zeit mit viel Tamtam nach Brüssel gereist sind und die Anzahl der zu befreienden Unternehmen und Branchen ausgeweitet haben.

Am Ende haben Sie dann auch noch einen zum Teil unbefristeten Bestandsschutz für diejenigen Branchen durchgesetzt, die von CDU und FDP damals befreit wurden. Wissen Sie, das ist unlogisch. Ich finde es ein Stück weit unfair, sich von diesen ehemaligen Zielen so mir nichts, dir nichts zu verabschieden.

Dann sagen Sie hier: Die Verbraucher sollen sich nicht als Verlierer fühlen. - Schön wäre es! Wo sind denn bitte schön die Fakten, die diese Aussage unterlegen? Es bleibt doch auch bei dem, was Sie jetzt verhandelt haben, dabei, dass im Endeffekt die Rentnerin und der Student für Wiesenhof und die Steinkohleindustrie die Stromrechnung mitbezahlen. Dann sagen Sie auch noch: Das ist gut für den Wirtschaftsstandort Deutschland. - Ich frage Sie: Finden Sie das sozial gerecht? Ich jedenfalls nicht.

Kommen wir zu Ihren wirtschaftspolitischen Aussagen. Auch bei dem, was jetzt im Rahmen der Industrierabatte verhandelt wurde, bleibt es prinzipiell möglich, dass der Bäcker an der Ecke für die Großbäckerei mit einem deutlich höheren Stromverbrauch die Stromrechnung mitbezahlt. Das ist doch wirtschaftspolitischer Unsinn. So kann es doch nun wirklich nicht gehen.

Die Frage ist natürlich: Was kostet das Ganze? Sie stellen sich hier hin und sagen: Diese 40 bzw. jetzt schon 45 Euro im Jahr sind für eine durchschnittliche Familie eine erträgliche Summe, um die Industriestandorte in Deutschland zu subventionieren. - Wissen Sie, ich finde, das ist eine ganz schön zynische Haltung gegenüber all denjenigen Leuten, für die 45 Euro eine Menge Geld sind. Vielleicht sollten Sie das als Sozialdemokrat einmal mitbedenken.

Es kann sein, Herr Minister, dass Ihnen diese 45 Euro nichts ausmachen. Aber Sie glauben doch nicht im Ernst, dass diese Zwangskollekte für die deutsche Industrie auf Kosten der Stromzahler nur annähernd eine Mehrheit in der Bevölkerung finden würde. Wenn dieser Gesetzentwurf durch eine Volksabstimmung legitimiert werden müsste, dann würde er abgelehnt. Ich finde, das sollte auch der Deutsche Bundestag tun.

Wissen Sie, die Öffentlichkeit diskutiert jetzt seit über einem Jahr, genauer gesagt: seit anderthalb Jahren, über die Reform der Ökostromförderung. Diverse Reisen nach Brüssel, Einladung der Kanzlerin von sämtlichen Ministerpräsidenten waren die Folge. Was ist am Ende dabei herausgekommen? Außer Spesen nichts gewesen! Die Verbraucher schauen weiterhin in die Röhre, und die Energiewende wird dabei abgewürgt. Dafür hat sich der ganze Aufwand wirklich nicht gelohnt.

Sie sagen, Sie wollen den erneuerbaren Energien gar nicht an den Kragen gehen. - Schön wäre es! Stichwort Arbeitsplätze: Die Branche der erneuerbaren Energien ist eine der zukunftsfähigsten Branchen in Deutschland. Hier sind über 400 000 Arbeitsplätze entstanden. In den letzten Jahren sind aber im Bereich der erneuerbaren Energien schon 10 000 Arbeitsplätze weggefallen, insbesondere in der Solarbranche und in Ostdeutschland. Experten gehen jetzt davon aus, dass mit Ihrem Gesetzentwurf die ganze Sache noch schlimmer wird und dass gerade im Bereich der erneuerbaren Energien Arbeitsplätze in Gefahr sind. Ich hätte mir schon gewünscht, dass Sie dazu wenigstens einen einzigen Satz gesagt hätten.

Wir als Linke wollen Ökologisches und Soziales zusammendenken. Wir sagen: Wir brauchen die Energiewende, und wir wollen der Energiewende ein soziales Siegel aufdrücken. Wir gehen nicht all denjenigen auf den Leim, die sagen: Die Erneuerbaren machen den Strom teurer. - Diese Menschen haben in Wirklichkeit nur die Profitinteressen der Kohle- und Atomlobby und die der Großindustrie im Hinterkopf. Das machen wir als Linke nicht mit.

(Hubertus Heil (Peine) (SPD): Schon einmal etwas von Industriegewerkschaften gehört?)

- Es wäre ein Leichtes und auch möglich, die Stromkosten für die Verbraucherinnen und Verbraucher zu senken; Herr Heil, vielen Dank für Ihren Zwischenruf. Die SPD hatte gemeinsam mit uns im Wahlkampf den einen oder anderen klugen Vorschlag eingebracht. Nehmen wir zum Beispiel die Senkung der Stromsteuer. Was ist denn daraus geworden? Nichts ist daraus geworden. Auf diesem Gebiet haben Sie keine einzige soziale Flankierung durchsetzen können. Ich finde, das ist für eine sozialdemokratische Politik ganz schön beschämend.

Wenn wir jetzt hier über die große Belastung der Industrie lamentieren, dann sagen Sie doch auch wenigstens ein einziges Wort zu den 320 000 Haushalten im Jahr - Tendenz steigend -, denen der Strom abgestellt wird. Dazu habe ich vom Minister und auch von der Koalition kein einziges Wort gehört. Ich finde es schlimm, dass den Menschen der Strom abgestellt wird und Sie diese im Dunkeln sitzen lassen. Das muss endlich ein Ende haben.

Es gibt viele andere Möglichkeiten, die Stromkosten zu reduzieren und die Energiewende trotzdem nicht zu gefährden. Wir als Linke haben ein ganzes Paket dazu vorgelegt. Neben der Senkung der Stromsteuer wollen wir die Strompreisaufsicht wieder einführen. Auch das hatte die SPD noch im Wahlkampf gefordert. Heute haben Sie kein Wort dazu gesagt.

Oder greifen Sie einen klugen Vorschlag von Klaus Töpfer, Ilse Aigner und auch von der Linken auf, einen Energiewendefonds einzurichten und mit einem Haushaltszuschuss und einer zeitlichen Streckung der Investitionszuschüsse für die Erneuerbaren zu mehr sozialer Gerechtigkeit beizutragen. Auch das wäre eine kluge Idee.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Auch wir als Linke wollen die Industrierabatte nicht komplett abschaffen.

Auch uns liegen natürlich die Arbeitsplätze in der Industrie am Herzen. Aber so, wie Sie es vorschlagen, geht es nicht. Die Vergabe muss an klare Kriterien gebunden sein, und die Rabatte müssen deutlich reduziert werden. Das haben Sie noch vor ein paar Wochen gefordert. Ich würde mir sehr wünschen, dass Sie sich in der Debatte und bei der Gesetzesberatung wieder daran erinnern können. So, wie Sie es vorgeschlagen haben, geht es jedenfalls nicht.