Von Irland lernen und die Ehe für alle öffnen!

11.06.2015
Redebeitrag von Caren Lay (Die Linke) am 11.06.2015 um 14:13 Uhr (109. Sitzung, TOP ZP 4)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Über 62 Prozent der Iren haben bei einer Volksabstimmung Ja zu gleichgeschlechtlichen Ehen gesagt ‑ ausgerechnet im erzkatholischen und konservativen Irland. Das ist ein wunderbares Ergebnis und ein Riesenerfolg für die Lesben- und Schwulenbewegung, zu dem wir auch aus dem Deutschen Bundestag ganz herzlich gratulieren.

Das Schönste ist, dass dieses Ergebnis die Debatte darüber in ganz Europa neu entfacht hat. Es wird höchste Zeit, dass auch die Bundesregierung sich bewegt und die Ehe für Lesben und Schwule endlich ohne Wenn und Aber öffnet.

Das ist natürlich für die Große Koalition, insbesondere für die Union, ein unangenehmes Thema.

Sie hat in den letzten Wochen zu Recht viel Hohn und Spott für ihre verstaubten und fadenscheinigen Argumente geerntet. Ich habe mich gestern sehr geärgert, dass Sie uns im Ausschuss verweigert haben, noch vor der Sommerpause eine Anhörung zu unserem Gesetzentwurf und zum Gesetzentwurf der Grünen durchzuführen. Aber wenn Sie geglaubt haben, damit bekommen Sie das Thema geschoben, haben Sie sich geschnitten: Genau deswegen haben wir die heutige Aktuelle Stunde beantragt.

Die Union blockiert das Vorhaben mit Rücksicht auf ihre konservative Wählerschaft. Den Vogel hat Frau Kramp-Karrenbauer abgeschossen, die tatsächlich sinngemäß sagte: Wenn die Homoehe kommt, dann kommen auch Inzest und Polygamie.

Das ist eine handfeste Beleidigung von Lesben und Schwulen. Sie ist völlig unakzeptabel.

Getoppt wird dies nur noch vom Vatikan: Einer seiner Sprecher sagte laut Presseberichten, das Ergebnis in Irland sei eine Niederlage für die Menschheit. Auch wenn es den einen oder anderen überraschen mag: Ich wurde katholisch erzogen, und vor dem Hintergrund kann ich, glaube ich, sagen: Lieber Vatikan, mit einer etwas weniger dogmatischen Interpretation der Bibel würden wir alle besser fahren, und der Kirche würden nicht so viele junge Menschen davonlaufen.

Weniger Verbohrtheit und weniger Dogmatismus: Das würde auch der Union guttun. Ich glaube, dass Ihre Wählerschaft deutlich weiter ist als Sie selbst. Das belegen auch alle Umfragen. Diese konservative Haltung fällt Ihnen auf die Füße. Keine der 15 größten deutschen Städte wird noch von der CDU regiert. In Dresden hat sich am Wochenende - Gott sei Dank, kann ich sagen - Ihre Hoffnung auf einen CDU-Bürgermeister zerschlagen.

Mit dieser hinterwäldlerischen Politik locken Sie niemanden mehr hinter dem Ofen hervor. Es wird endlich Zeit, das zu ändern.

Ich bin fest davon überzeugt: Auch in Deutschland würde jedes Referendum für die Ehe für alle haushoch gewonnen. Das ist ein weiteres Argument dafür, auch in Deutschland endlich Volksbegehren auf Bundesebene zu ermöglichen.

65 Prozent der Deutschen haben in der letzten Umfrage angegeben, sie seien für die Ehe für alle, ja sogar 58 Prozent, also eine satte Mehrheit, der CDU/CSU-Wähler. Nur bei der AfD sind die Homophoben noch in der Mehrheit. Aber das können wir uns nicht zum Vorbild nehmen.

Das Beste ist: Die Ehe für alle tut niemandem weh. Auch die Ehe von Frau Kramp-Karrenbauer wird nicht dadurch beschädigt, dass die Lesben und Schwulen in der Nachbarschaft jetzt auch einen Trauschein bekommen. Also, geben Sie Ihren Widerstand dagegen endlich auf!

Ein beliebtes und aus meiner Sicht das einzig wirklich ernstzunehmende Argument der Gegnerinnen und Gegner ist, die Ehe für alle würde dem Grundgesetz widersprechen. Ich lese dort allerdings nirgends, dass mit dem Schutz der Ehe nur der Schutz der Heteroehe gemeint ist. Vielmehr lese ich in Artikel 3 Absatz 1: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“ Übersetzt heißt das für mich: Wer Lesben und Schwulen die gleichen Rechte verweigert, der verletzt den Gleichheitsgrundsatz. Es wird endlich Zeit, die Ehe für alle einzuführen.

Die Bundesregierung verheddert sich im Klein-Klein. Hinter den Kulissen wird heftig gerungen, in welchen Einzelgesetzen die eingetragene Lebenspartnerschaft an die Ehe angepasst werden soll. Da frage ich mich: Warum so kompliziert? Ich glaube, die Zeiten, in denen wir ein Sondergesetz für Lesben und Schwule brauchten, sind vorbei. Lassen Sie uns die Ehe endlich für Lesben und Schwule öffnen. Damit wird der Grundsatz „Ehe für alle“ am einfachsten und am schnellsten umgesetzt.

Wir haben als Linke - darauf möchte ich abschließend hinweisen - schon vor längerem einen Gesetzentwurf dazu vorgelegt. Im Bundesrat wird eine ähnliche Initiative morgen hoffentlich eine Mehrheit finden.

Ich weiß, liebe SPD, Sie haben es mit diesem Koalitionspartner schwer. Es gibt eine kurzfristige Lösung: Geben Sie die Abstimmung darüber einfach frei! Eine rot-rot-grüne Mehrheit im Bundestag gibt es auch bei diesem Thema rechnerisch schon längst.

Wenn wir die Abstimmung freigeben, bin ich sicher, dass auch der eine oder andere Unionspolitiker dazu beitragen würde, dass eine Regenbogenallianz zustande kommt und die Ehe für alle endlich auch in Deutschland Realität wird.

Vielen Dank.

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Die Wohnungsfrage ist die soziale Frage unserer Zeit. Doch statt sie anzugehen, werden Fehlentwicklungen systematisch politisch gefördert. Wohnungen sind zu reinen Spekulationsobjekten verkommen. Hohe Nachfrage und sogenannte Zwangssanierungen lassen die Mieten explodieren und zwar nicht nur in den Großstädten, sondern auch im Umland. Menschen werden aus jahrzentelang gewachsenen, sozialen Strukturen gerissen, gentrifzierte Viertel zu Soziotopen der Besserverdienenden. Wie konnte es soweit kommen? Warum unternimmt die Politik so wenig, um Mietenwahnsinn und Spekulation endlich zu stoppen? Und was muss getan werden, damit Wohnen endlich wieder bezahlbar wird? Caren Lay nimmt die deutsche Wohnungspolitik der letzten 20 Jahre schonungslos unter die Lupe, zeigt auf, wie und warum Deutschland zum Eldorado für Wohnungsspekulation werde konnte, und liefert provokante Ideen für eine soziale Wohnungspolitik, die wir so dringend brauchen.

Erschienen bei Westend / 160 Seiten Leseprobe

Über mich
Ich bin Bundestagsabgeordnete und Sprecherin für Mieten-, Bau- und Wohnungspolitik sowie für Clubpolitik.