Persönliches

Ich habe sehr früh angefangen, mich politisch einzumischen. Als ich in den 80er Jahren im Rheinland aufwuchs, erlebte ich die Höhepunkte der neuen sozialen Bewegungen hautnah: Schon als Mädchen war ich bei den großen Friedensdemos im Bonner Hofgarten mit dabei, war von der Frauen- und der Umweltbewegung inspiriert. Mit der katholischen Kirche, die meine Kindheit mit geprägt hat, brach ich schnell und trat mit 15 aus der Kirche aus. Meine erste Demo organisierte ich als Schülerin 1991 gegen den Golfkrieg. Ein Studium der Soziologie - und das an den als „linke Kaderschmieden“ bekannten Universitäten in Marburg, Frankfurt/Main und schließlich an der FU Berlin - schien mir nur folgerichtig.

Die Lektüre linker TheoretikerInnen in der Tradition von Marx und Beauvoir halfen mir, die Gesellschaft zu analysieren. Mein Studienaufenthalt in den USA brachte mich mit anderen Denktraditionen in Berührung. Auch die Diskussionen um Foucault, Butler und postkoloniale Ansätze prägen seitdem meine Sicht auf die Welt. Reine Theoriebildung war mir allerdings nicht genug. Außerparlamentarische Politik begleitete mich in all dieser Zeit: Ob es gegen die Einschränkung des Asylrechts, gegen Naziaufmärsche oder stockkonservative Bischöfe ging, bei der Menschenkette ums Atomkraftwerk, beim internationalen Frauentag oder beim CSD - ich war mit dabei. Meinen Lebensunterhalt habe ich von Bafög und durch meine Mitarbeit in einem linken Kneipenkollektiv bestritten.

Parteienpolitik war für mich weit weg. Das änderte sich erst mit meinem Umzug nach Dresden Anfang 2000. Ich lernte als Referentin der PDS-Fraktion im Sächsischen Landtag, dass linke Inhalte durch eine parlamentarische Vertretung zum Teil häufig wirkungsvoller in die Öffentlichkeit transportiert werden können und dass politischer Einfluss - und sei es in noch so kleinen Schritten - tatsächlich möglich ist. Das Entwickeln linker Konzepte ist genauso wichtig wie der Protest gegen das Bestehende und ein zentraler Bestandteil gestaltender Opposition. Ich bin überzeugt, wir finden mehr MitstreiterInnen im Kampf um eine friedliche und gerechte Welt, wenn wir nicht nur sagen können, wogegen, sondern auch, wofür wir streiten - und wie wir dahin kommen wollen. Hatte ich im Studium viel Theorie zur Analyse der Welt gelernt, so erweiterte ich in dieser Zeit mein Instrumentarium zur Verbesserung derselben.

2004 habe ich mich unter dem Eindruck der Durchsetzung von Hartz IV entschlossen, in die PDS einzutreten und - mit Erfolg - für die Wahl in den Sächsischen Landtag zu kandidieren. Als erste in meiner Familie hatte ich die Chance, Abitur und einen Hochschulabschluss zu machen. Es war mir deshalb unverständlich, wie eine „linke“ Regierung soziale Rechte einschränken konnte, anstatt sie auszubauen. Sozialpolitische Themen rückten wieder stärker in meinen Fokus. Ich habe das Konzept der PDS für eine solidarische Bürgerversicherung im Gesundheitsbereich mit entwickelt und wurde arbeitsmarktpolitische Sprecherin der PDS-Landtagsfraktion. Als Parlamentarische Geschäftsführerin der PDS-und später Linksfraktion im Sächsischen Landtag lernte ich, die Möglichkeiten, aber auch die Grenzen parlamentarischen Handelns auszuloten.

Aus meinen politischen Erfahrungen weiß ich: außerparlamentarisches Engagement und eine starke LINKE in den Parlamenten gehören zusammen. Ohne eine parlamentarische Vertretung ist eine außerparlamentarische Linke häufig ohne faktischen Einfluss auf das politische Geschehen. Die Gefahr, dass Selbstbeschäftigung und reine Theorie an die Stelle politischer Intervention treten, besteht. Umgekehrt gilt: Ohne eine gesellschaftliche Bewegung kann auch eine LINKE in den Parlamenten keinen Politikwechsel herbeiführen. Hier besteht noch dazu die Gefahr der Anpassung an Verwaltungshandeln. Parlamentarisches und Außerparlamentarisches gehören zusammen. Für diese Einsicht streite ich in meiner Politik.Ich stehe für eine moderne, aufgeklärte LINKE, die versucht in die gesellschaftlichen Verhältnisse zu intervenieren, Hegemonien zusammen mit Bewegung und Gewerkschaften nach Links zu verschieben. 

DIE LINKE ist die Partei, mit der ich diese Ansprüche umsetzen, Theorie und Praxis, Widerstand und machbare Alternativen vereinen kann. Die Gründung der Partei DIE LINKE war für mich einer der spannendsten Prozesse , an denen ich als Parteivorstandsmitglied der Linkspartei.PDS beteiligt war. Eine starke und einflussreiche gesamtdeutsche LINKEN ist nicht nur für mich persönlich wichtig, ihre Gründung ist eine historische Entscheidung: Nach Jahrzehnten einer zersplitterten und damit häufig einflusslosen Linken im Westen, einer zu DDR-Zeiten autoritären Staatspartei im Osten und in der Nachfolge einer in Westdeutschland nicht anerkannten PDS, haben wir jetzt die Chance, mit einer konsequenten demokratisch-sozialistischen Politik die Gesellschaft zu verändert.Innerparteiliche Demokratie, die Konzentration auf die Intervention in gesellschaftliche Verhältnisse statt auf ideologisch Trennendes sind dafür Essentiell. Zu einer modernen linken Partei gehört für mich auch, Feminismus, Rassismus und ökologische Fragen nicht als "Nebenwidersprüche" zu behandeln.

Ich mache gerne Politik, die an den realen Lebenserfahrungen, an den konkreten Problemen, am Alltag der Menschen anknüpft. Derzeit ist das der Kampf gegen Mietenexplosion, für bezahlbares Wohnen und lebenswerte Städte. Es kann nicht sein, dass Menschen mit geringem Einkommen oder Familien keine Wohnung mehr in den Innenstädten finden, RentnerInnen und Erwerbslose aus den Wohnungen gedrängt werden in denen sie seit  Jahrzehnten leben und kreative, alternative, kommerzfreie Räume zunehmend verschwinden, während Mietwohnungen zum Eldorado für Finanzspekulanten wird. Hier können und müssen wir den Kapitalismus am konkreten Beispiel kritisieren, uns um reale Probleme der Menschen kümmern und den erfreulichen Widerstand gegen Verdrängung und Gentrifizierung unterstützen. Aus einer ähnlichen Perspektive habe ich mich viele Jahre um die Rechte von VerbraucherInnen gekümmert.

Ich bin überzeugte Feministin. Frauen zu stärken, zu ermutigen, sie einzumischen und gleiche Augenhöhe mit Männern zu beanspruchen ist mir wichtig  - nicht nur in meiner parlamentarischen Arbeit, auch innerhalb meiner Partei, wo ich z.B. ein Mentoringprogramm für Frauen entwickelt habe – und auch in meinem privaten Umfeld. Auch der Kampf gegen Neonazis begleitet mich seit meiner Jugend. Denn es war keine Seltenheit, dass Punk-Konzerte, die ich als Teenie besuchte, von Skinheads angegriffen wurden. Meine Bürgerbüros in Bautzen und Hoyerswerda wurden in nur 4 Jahren über 20x angegriffen. Der Kampf gegen den Rechtsruck ist eine der vordringlichsten Aufgabe der LINKEN, ja der gesamten aufgeklärten Gesellschaft. 

Als Bautznerin mit westdeutschen Wurzeln liegt mir die Entwicklung der LINKEN als gesamtdeutsche Partei besonders am Herzen. Eine andere Wirtschafts- und Strukturpolitik für Ostdeutschland ist eine Frage sozialer Gerechtigkeit und für mich das Herzstück einer modernen und zukunftsorientierten Ostdeutschlandpolitik. Wer, wenn nicht DIE LINKE muss die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse verteidigen und verhindern, dass ein Armenhaus in unserem reichen Land entsteht. 

Ich empfinde es jeden Tag als ein Geschenk, dass ich meine Leidenschaft, die Politik, zum Beruf machen konnte. Gleichwohl weiß ich, dass andere Lebensbereiche dadurch kürzer treten müssen. Für Freizeit, Sport und meine Freude an der Kunst bleibt häufig wenig Zeit. Dennoch nehme ich mir Zeit für mein Privatleben und schöpfe daraus Kraft für meinen beruflichen Alltag. Ich praktiziere jeden Morgen Yoga (Ashtanga) und gehe regelmäßig laufen. An den verbleibenden Wochenenden gehe ich tanzen - vorzugsweise zu elektronischer Musik - oder verbringe sie mit Wander- und Klettertouren in der Sächsischen Schweiz. Ich reise gerne und erkunde schöne Landschaften - am liebsten mit der Yogamatte, dem Snowboard oder am Kletterseil.

Buchempfehlung:
Buchcover

Die Wohnungsfrage ist die soziale Frage unserer Zeit. Doch statt sie anzugehen, werden Fehlentwicklungen systematisch politisch gefördert. Wohnungen sind zu reinen Spekulationsobjekten verkommen. Hohe Nachfrage und sogenannte Zwangssanierungen lassen die Mieten explodieren und zwar nicht nur in den Großstädten, sondern auch im Umland. Menschen werden aus jahrzentelang gewachsenen, sozialen Strukturen gerissen, gentrifzierte Viertel zu Soziotopen der Besserverdienenden. Wie konnte es soweit kommen? Warum unternimmt die Politik so wenig, um Mietenwahnsinn und Spekulation endlich zu stoppen? Und was muss getan werden, damit Wohnen endlich wieder bezahlbar wird? Caren Lay nimmt die deutsche Wohnungspolitik der letzten 20 Jahre schonungslos unter die Lupe, zeigt auf, wie und warum Deutschland zum Eldorado für Wohnungsspekulation werde konnte, und liefert provokante Ideen für eine soziale Wohnungspolitik, die wir so dringend brauchen.

Erschienen bei Westend / 160 Seiten Leseprobe

Über mich
Ich bin Bundestagsabgeordnete und Sprecherin für Mieten-, Bau- und Wohnungspolitik sowie für Clubpolitik.