Absurd: #NoAfD behauptet, Klimaschutz sei schuld an Wohnungskrise

06.03.2020
Caren Lay, DIE LINKE: Absurd: #NoAfD behauptet, Klimaschutz sei schuld an Wohnungskrise

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die AfD hat nun als letzte Fraktion in diesem Haus die Wohnungskrise endlich als Problem erkannt - immerhin. Doch leider liegt sie sowohl bei der Analyse als auch mit ihren Vorschlägen zur Behebung des Problems völlig falsch.

Bis jetzt haben Sie immer und bei allem, auch bei der Wohnungskrise, Zugewanderten, Migrantinnen und Migranten, die Schuld gegeben. Jetzt ist der Klimaschutz als neues Feindbild an der Reihe. Zu viel Klimaschutz sei schuld an der Wohnungskrise und würde Wohnungsbau verhindern, so der Tenor Ihrer Reden und Ihrer Anträge. Das, meine Damen und Herren, ist, gelinde gesagt, völliger Unsinn!

Denn der entscheidende Kostentreiber beim Bau - die Baukosten steigen in der Tat - sind nicht die gestiegenen Umweltauflagen, sondern die über Jahrzehnte massiv gestiegenen Bodenpreise. Seit dem Zweiten Weltkrieg gehen 80 Prozent der Baukostensteigerungen auf explodierende Bodenpreise zurück. In Hamburg muss man für einen Quadratmeter Bauland inzwischen 3.000 Euro hinblättern. Investoren holen sich diese Mondpreise über völlig überteuerte Mieten und überteuerte Verkäufe wieder herein. Deswegen können Genossenschaften und Kommunen kaum bezahlbare Neubauwohnungen erstellen. Schuld an der Mietenkrise - das ist der entscheidende Punkt - ist die Geschäftemacherei mit Wohnungen, ist die Spekulation; das ist die Wahrheit!

Deswegen, meine Damen und Herren von der AfD, führt jede Rede davon, dass zu viele staatliche Vorschriften dafür sorgen, dass das Bauen teuer geworden ist, wirklich auf ein Nebengleis der Debatte. Thema verfehlt, kann ich da nur sagen!

Wer die Kostenexplosion bei Mieten und beim Bauen stoppen will, muss für einen Mietendeckel sein und muss an die Bodenpreise heran. Deswegen brauchen wir endlich auch einen Bodenpreisdeckel und eine Steuer auf Bodenspekulation! Aber zum Thema Spekulation und zum Thema Mieterschutz schweigt die AfD. Mit dem internationalen Finanzkapital legen Sie sich lieber nicht an. Das braucht wirklich keinen Mut!

Die AfD will stattdessen die Energieeinsparverordnung, kurz EnEV genannt, zur Lösung der Wohnungskrise aussetzen. Aber Umweltauflagen - das ist gerade schon gesagt worden - machen laut der Baukostensenkungskommission nur 6 Prozentpunkte der Kostensteigerung von insgesamt 36 Prozent in den letzten Jahren aus. Neuvorschriften, wie die EnEV, führen aber dazu, dass bei Neubauten deutlich weniger Energie, nämlich ein Viertel weniger, verbraucht wird.

Deswegen, meine Damen und Herren, ist es doch völlig falsch, wenn wir Klimaschutz auf der einen Seite und die Bezahlbarkeit von Wohnen auf der anderen Seite gegeneinander ausspielen. Klimaschutz und soziale Wohnungspolitik müssen Hand in Hand gehen; das ist der entscheidende Punkt! Es ist auch absurd, das Gebäudeenergiegesetz aufzugeben! Es kommt zu spät und will zu wenig; das ist unsere Kritik als Linke.

Ein Blick nach Wien zeigt übrigens, dass es gehen kann. Dort sind deutlich mehr Gebäude energetisch saniert, und die Mieten sind trotzdem viel niedriger und damit eher bezahlbar als hierzulande. Die Klimaschutzziele im österreichischen Gebäudesektor sind sogar übererfüllt. Dort gibt es nämlich in einem großen gemeinnützigen Wohnungssektor eine warmmietenneutrale Sanierung. Das heißt, Klimaschutz ohne Mieterhöhung; das sollte auch unser Ziel sein!

Wir als LINKE wollen, dass klimagerechtes Wohnen für alle erschwinglich ist. Deswegen müssen wir als Erstes diese sogenannte Modernisierungsumlage abschaffen; denn sie ist eine Einladung zum Herausmodernisieren von Mieterinnen und Mietern und hat mit Klimaschutz wenig zu tun. Sie ist ein lukratives Geschäft für Immobilienspekulanten. Schluss damit!

Was wir aber stattdessen brauchen, ist die klimagerechte Sanierung mit einem sinnvollen Gebäudeenergieinvestitionsprogramm. Wir als LINKE wollen dafür 10 Milliarden Euro jährlich aufwenden. So geht energetische Sanierung ohne Mieterhöhung. Wir als LINKE haben einen umfangreichen Klimaaktionsplan aufgelegt, auch für den Gebäudesektor. Ich kann Ihnen nur empfehlen, einen Blick hineinzuwerfen!

Eines, meine Damen und Herren, möchte ich noch sagen: Auch wir als LINKE sind selbstverständlich gegen sinnlose bürokratische Hürden. Wir wollen sie überprüfen; diese Position habe ich hier auch immer vertreten. Wir brauchen nicht 16 verschiedene Bauordnungen, aber natürlich sollen Neubauvorhaben nicht an der Bundesstellplatzverordnung scheitern.

Aber eines finde ich schon bemerkenswert, nämlich das, was Sie als AfD nicht, mit keinem einzigen Wort, erwähnen. Viel schlimmer ist doch die deutsche Bürokratie, wenn Hartz-IV-Betroffenen vom Amt ein Zimmer verriegelt wird, weil die Wohnung, in der sie schon seit vielen Jahren wohnen, nach bürokratischen Bestimmungen wenige Quadratmeter zu groß ist. Das ist Bürokratie in Deutschland, und damit muss endlich Schluss sein!

Meine Damen und Herren, eines möchte ich zum Schluss zur Wohnungspolitik der AfD noch sagen: Sie, die AfD, waren es, die im Haushalt die Gelder für den sozialen Wohnungsbau kürzen wollte. Sie waren die einzige Partei im gesamten Bundestag, die gegen die Verlängerung der Förderung des sozialen Wohnungsbaus gestimmt hat. Sie sind gegen die Mietpreisbremse. Sie sind gegen den Mietendeckel. Sie sind gegen den besseren Schutz von Mieterinnen und Mietern! Sie stehen stramm an der Seite des Finanzkapitals. Das ist die Wahrheit! Das hat mit einer verantwortungsvollen, mit einer sozialen Wohnungspolitik nichts zu tun!

Vielen Dank.

Buchempfehlung:
Buchcover

Die Wohnungsfrage ist die soziale Frage unserer Zeit. Doch statt sie anzugehen, werden Fehlentwicklungen systematisch politisch gefördert. Wohnungen sind zu reinen Spekulationsobjekten verkommen. Hohe Nachfrage und sogenannte Zwangssanierungen lassen die Mieten explodieren und zwar nicht nur in den Großstädten, sondern auch im Umland. Menschen werden aus jahrzentelang gewachsenen, sozialen Strukturen gerissen, gentrifzierte Viertel zu Soziotopen der Besserverdienenden. Wie konnte es soweit kommen? Warum unternimmt die Politik so wenig, um Mietenwahnsinn und Spekulation endlich zu stoppen? Und was muss getan werden, damit Wohnen endlich wieder bezahlbar wird? Caren Lay nimmt die deutsche Wohnungspolitik der letzten 20 Jahre schonungslos unter die Lupe, zeigt auf, wie und warum Deutschland zum Eldorado für Wohnungsspekulation werde konnte, und liefert provokante Ideen für eine soziale Wohnungspolitik, die wir so dringend brauchen.

Erschienen bei Westend / 160 Seiten Leseprobe

Über mich
Ich bin Bundestagsabgeordnete und Sprecherin für Mieten-, Bau- und Wohnungspolitik sowie für Clubpolitik.