Weniger Neubau und sinkender Bestand an Sozialwohnungen

15.07.2022

Die soziale Zeitbombe tickt: In Deutschland werden immer weniger Sozialwohnungen gebaut, und deren Gesamtzahl nimmt weiter rapide ab, wie Zahlen der Bundesregierung auf meine Anfrage hin belegen. Bundesweit gibt es nur noch rund 1,1 Millionen Sozialwohnungen und damit eine historischen Tiefstand.

Die Lage spitzt sich dramatisch zu: Wohnen wird immer teurer. Die Energiepreise explodieren und die CO2-Steuer wird größtenteils auf Mieterinnen und Mieter umgelegt. Der Bedarf an günstigen Mieten steigt. Doch Haushalte mit geringen Einkommen finden kaum noch bezahlbare Wohnungen. Deshalb ist das Versagen von Bund und Ländern beim sozialen Wohnungsbau schlichtweg fatal.

Die Ampelkoalition hat versprochen, 100.000 öffentlich geförderte Wohnungen pro Jahr zu bauen. Von dieser Zielmarke ist sie in der Realität jedoch weit entfernt. Die Zahl neu gebauter Sozialwohnungen sinkt das dritte Jahr in Folge. Wurden 2018 noch 27.000, 2019 noch 25.500 und 2020 immerhin noch 23.000 Sozialwohnungen gebaut, waren es 2021 nur noch 17.500 (ohne Baden-Württemberg, das seine Zahlen nicht geliefert hat). Und auch die Gesamtzahl der Sozialwohnungen ist rückläufig. Wenn man wohlwollend davon ausgeht, dass das Ländle seinen Bestand hält, dann ergibt sich ein aktueller Gesamtbestand von nur noch 1,105 Millionen und damit ein Minus von 23.000 Sozialwohnungen im letzten Jahr. In den letzten zehn Jahren entfielen rund 550.000 Wohnungen, also jede dritte!

Dieser Rückgang kommt dadurch zustande, dass Wohnungen aus der Sozialbindung fallen, also ohne Preisbindung frei vermietet werden können. So gehen Jahr für Jahr mehr Sozialwohnungen verloren als neue hinzukommen. Nach Auslaufen der Bindung steigen die Mieten rasant, und Haushalte mit geringen Einkommen werden verdrängt, oder sie sparen sich das Geld vom Mund ab.

So kann es nicht weitergehen! Wohnkosten dürfen nicht länger zur Armutsfalle werden. Wir brauchen einen Neustart im sozialen gemeinnützigen Wohnungsbau. Mindestens 7,5 Milliarden Euro jährlicher Bundesförderung für den sozialen Wohnungsbau wären nötig, um den Abwärtstrend umzukehren. Als Linke fordern wir 15 Milliarden Euro jährlich für den sozialen, kommunalen und gemeinnützigen Wohnungsbau. Im Rahmen eines öffentlichen Wohnungsbauprogramms nach Wiener Vorbild sollen der Neubau und der Rückkauf von Sozialwohnungen vorangetrieben werden. Dabei muss hierzulande wie in Wien gelten: einmal Sozialwohnung, immer Sozialwohnung. Es darf nicht sein, dass in öffentlich geförderten Wohnungen nach Ablauf der Bindung die Mieten höchstmöglich gesteigert und dadurch Mieterinnen und Mieter aus ihren Wohnungen verdrängt werden. Außerdem fordern wir die Einführung einer neuen Wohnungsgemeinnützigkeit zum Einstieg in einen gemeinwohlorientierten Wohnungsmarkt. Denn Wohnen ist ein Grundrecht und keine Ware.

Dieser Text ist auch als Gastkommentar in der jungen Welt erschienen.

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Die Wohnungsfrage ist die soziale Frage unserer Zeit. Doch statt sie anzugehen, werden Fehlentwicklungen systematisch politisch gefördert. Wohnungen sind zu reinen Spekulationsobjekten verkommen. Hohe Nachfrage und sogenannte Zwangssanierungen lassen die Mieten explodieren und zwar nicht nur in den Großstädten, sondern auch im Umland. Menschen werden aus jahrzentelang gewachsenen, sozialen Strukturen gerissen, gentrifzierte Viertel zu Soziotopen der Besserverdienenden. Wie konnte es soweit kommen? Warum unternimmt die Politik so wenig, um Mietenwahnsinn und Spekulation endlich zu stoppen? Und was muss getan werden, damit Wohnen endlich wieder bezahlbar wird? Caren Lay nimmt die deutsche Wohnungspolitik der letzten 20 Jahre schonungslos unter die Lupe, zeigt auf, wie und warum Deutschland zum Eldorado für Wohnungsspekulation werde konnte, und liefert provokante Ideen für eine soziale Wohnungspolitik, die wir so dringend brauchen.

Erschienen bei Westend / 160 Seiten Leseprobe

Über mich
Ich bin Bundestagsabgeordnete und Sprecherin für Mieten-, Bau- und Wohnungspolitik sowie für Clubpolitik.