Steigende Wohnkosten sind tickende Zeitbombe

07.09.2022
Steigende Wohnkosten sind tickende Zeitbombe!

Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Die Mieten explodieren schon seit vielen Jahren. Es ist schon lange keine Seltenheit mehr, dass Menschen die Hälfte ihres Einkommens für das Wohnen ausgeben. Jetzt kommen noch die Explosion der Nebenkosten und die Inflation dazu. Das ist eine tickende Zeitbombe, und der vorliegende Haushalt reicht bei Weitem nicht aus, sie zu entschärfen.

Schon jetzt müssen die Bürger/-innen 11 Prozent mehr für das Wohnen ausgeben als im Vorjahr. Und die großen Preissprünge bei Energie kommen ja erst noch. RheinEnergie zum Beispiel hat mitgeteilt, die Preise für Gas um 133 Prozent zu steigern. Das hieße für eine Familie zukünftig 3 000 Euro statt 1 400 Euro. Die Entlastungspäckchen der Bundesregierung reichen da nicht aus.

Ich freue mich ja sehr, dass das Wohngeld reformiert werden soll, dass es zukünftig mehr Menschen zugutekommen soll und eine Heizkosten- und eine Klimakomponente erhalten soll. Endlich! Mit diesen Forderungen beißen wir Linke seit vielen Jahren auf Granit.

Leider sind die vollmundigen Ankündigungen im Haushalt nicht untersetzt. Da stehen schwarz auf weiß noch 690 Millionen Euro. Die stehen da. Das ist weniger als im letzten Jahr. Das ist doch lächerlich! Und einen Gesetzentwurf zur Reform gibt es auch nicht. Ich hoffe, dass Ihre Ankündigungen schnell umgesetzt werden; denn die Heizperiode beginnt bald.

Mit einer Wohngeldreform alleine ist es natürlich nicht getan. Viele Menschen werden die Warmmieten nicht mehr zahlen können. Im Entlastungspaket heißt es da eher lapidar: Sperrungen von Strom und Gas sollen durch Abwendungsvereinbarungen verhindert werden. - Ich lese da erneut eine schwammige Formulierung, die die Mieter/-innen am Ende nicht schützen wird. Oberste Prämisse muss sein: Niemand darf jetzt seine Wohnung verlieren. Kündigungen müssen ausgesetzt werden. Zwangsräumungen und Gassperren müssen verboten werden.

Das beste Mittel gegen die Inflation ist übrigens ein Mietenstopp. Vonovia hat angekündigt, die Mieten angesichts der Inflation massiv zu erhöhen. Mietervereine berichten, dass neue Mietverträge zum Teil zu 90 Prozent Indexmietverträge sind, also solche, die sich automatisch an die Inflation anpassen. Das ist bei einer Inflation von 7 Prozent nicht tragbar. Indexmietverträge müssen untersagt werden!

Die Ampelregierung selbst hat „Bauen, bauen, bauen“ zur Maxime ihrer Wohnungspolitik erklärt. Dazu muss man erklären, dass das Ziel, 400 000 Wohnungen neu zu bauen, nicht geschafft wird. Im Gegenteil: Im letzten Jahr ist die Zahl der neu gebauten Wohnungen auf 280 000 gesunken.

Viel entscheidender für uns als Linke ist natürlich die Zahl der Sozialwohnungen. Sie haben angekündigt, 100 000 Sozialwohnungen zu bauen. Aber auch hier ist die Zahl der faktisch gebauten Wohnungen rückläufig: nur noch 21 000 Sozialwohnungen. Wenn wir dagegenrechnen, dass viele Sozialwohnungen einfach aus der Bindung fallen, dann haben wir unterm Strich ein Minus von 27 000 Sozialwohnungen. Das ist doch ein Armutszeugnis, meine Damen und Herren.

Deutscher Mieterbund und IG Bau haben heute zu Recht vorgerechnet, dass wir angesichts der massiv gestiegenen Kosten viel mehr Geld für den sozialen Wohnungsbau einsetzen müssen. Sie fordern 15 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau statt Ihrer 2,5 Milliarden Euro. 15 Milliarden Euro für den sozialen und gemeinnützigen Wohnungsbau - das fordern wir als Linke schon lange.

Lieber Herr Kurth,

(Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja!)

wir sind uns einig: Jede Privatisierung von Wohnungen ist falsch. - Aber wenn wir schon darüber reden, dann gehört zur Wahrheit eben auch, dass keine Bundesregierung mehr Wohnungen privatisiert hat als Rot-Grün unter Gerhard Schröder. Auch Ihre Partei, die Grünen, hat sich nicht mit Ruhm bekleckert bei der GSW-Privatisierung in Berlin. Sie wollten, dass noch mehr privatisiert wird. Ich kann es heute angesichts der Zeit nicht näher ausführen; aber in meinem neuen Buch „Wohnopoly“ habe ich es ausführlich dargestellt. Ich empfehle die Lektüre.

Meine Damen und Herren, wir brauchen keine Fonds und Konzerne auf dem Wohnungsmarkt. Was wir brauchen, ist, dass von jetzt an jeder Euro in eine neue Wohnungsgemeinnützigkeit investiert wird. Aber auch hierzu gibt es keinen Gesetzentwurf.

Ich kann verstehen, dass der Aufbau eines neuen Ministeriums Zeit braucht. Aber dass Sie jetzt 300 Tage verbringen, ohne ein einziges Gesetz zum Schutz der Mieterinnen und Mieter vorzulegen - noch nicht mal zum Vorkaufsrecht -, können wir Ihnen nicht durchgehen lassen. Die Mieterinnen und Mieter können nicht länger warten.

Das Wohnopoly muss beendet werden!

Buchempfehlung:
Buchcover

Die Wohnungsfrage ist die soziale Frage unserer Zeit. Doch statt sie anzugehen, werden Fehlentwicklungen systematisch politisch gefördert. Wohnungen sind zu reinen Spekulationsobjekten verkommen. Hohe Nachfrage und sogenannte Zwangssanierungen lassen die Mieten explodieren und zwar nicht nur in den Großstädten, sondern auch im Umland. Menschen werden aus jahrzentelang gewachsenen, sozialen Strukturen gerissen, gentrifzierte Viertel zu Soziotopen der Besserverdienenden. Wie konnte es soweit kommen? Warum unternimmt die Politik so wenig, um Mietenwahnsinn und Spekulation endlich zu stoppen? Und was muss getan werden, damit Wohnen endlich wieder bezahlbar wird? Caren Lay nimmt die deutsche Wohnungspolitik der letzten 20 Jahre schonungslos unter die Lupe, zeigt auf, wie und warum Deutschland zum Eldorado für Wohnungsspekulation werde konnte, und liefert provokante Ideen für eine soziale Wohnungspolitik, die wir so dringend brauchen.

Erschienen bei Westend / 160 Seiten Leseprobe

Über mich
Ich bin Bundestagsabgeordnete und Sprecherin für Mieten-, Bau- und Wohnungspolitik sowie für Clubpolitik.