Mietpreisbremse ist Etikettenschwindel

26.06.2025
Caren Lay: Mietpreisbremse ist Etikettenschwindel

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren.
In meinem Bekanntenkreis gibt es eine Familie mit zwei Kindern, die gerade eine neue Wohnung in Berlin-Treptow gefunden hat. Der Konzern Heimstaden verlangt von ihnen eine Miete, die 60 Prozent über dem Mietspiegel liegt. Das ist kein Einzelfall. Das ist der alltägliche Mietenwahnsinn in Deutschland. Und das müssen wir endlich beenden.

Der vorliegende Gesetzentwurf wird leider nicht dazu beitragen. Er wird nämlich an der jetzigen Regelung nichts ändern. Das Einzige, was jetzt beschlossen wird, ist ein simples Weiter-so. Hier also so zu tun, als würden heute irgendwelche Wohltaten für Mieterinnen und Mieter beschlossen, entspricht nicht der Wahrheit. Das grenzt an Heuchelei, meine Damen und Herren.

Erst in der letzten Woche hat die Antwort der Bundesregierung auf meine schriftliche Frage ergeben, dass genau in dem Zeitraum, in dem die Mietpreisbremse gilt, die Mieten in den Großstädten um 50 Prozent angehoben wurden. In einigen Städten wie in Berlin haben sie sich sogar verdoppelt. Das zeigt doch: Die Mietpreisbremse bremst nicht. Sie ist ein Etikettenschwindel, meine Damen und Herren.

Schon jetzt erlaubt die Mietpreisbremse - das ist ja eines der zentralen Probleme -, dass neue Mietverträge abgeschlossen werden, bei denen die Miete 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt. Das heißt, die permanente Mietsteigerung per Gesetz ist eingepreist, und das finde ich wirklich absurd. Aber das reicht ja vielen Vermietenden nicht. Sie verlangen eine Miete, die noch darüber liegt. Und das können sie auch tun, weil keinerlei Buße, keinerlei Strafe, keinerlei Konsequenz droht, wenn man dieses Gesetz einfach nicht anwendet. Das darf so nicht bleiben.

Die Realität ist, dass viele Mieterinnen und Mieter gar nicht wissen, dass es eine Mietpreisbremse gibt. Und es ist eine große Hürde für sie, diese auch anzuwenden. Viele haben real Angst, ihre Vermieter zu verklagen. Und wie die Mietrechtsanwälte in der Anhörung berichtet haben, ist diese Angst berechtigt; denn diejenigen, die tatsächlich den Mut haben, eine Klage gegen ihren Vermieter anzustrengen, bekommen als Gegenantwort nicht selten eine Eigenbedarfskündigung auf den Tisch. Meine Damen und Herren, wir brauchen nicht nur einen echten Mietenstopp, sondern auch einen besseren Kündigungsschutz für Mieterinnen und Mieter.

Wir reden heute über ein Gesetz, das nicht wirken kann und, ehrlich gesagt, auch nicht wirken soll. Die Mietpreisbremse ist so schwach, dass ganz ungeniert auf allen Mietportalen Mietverträge angeboten werden, die gegen das Gesetz verstoßen. Die Mietpreisbremse ist so schwach, dass es sich für Vermietende lohnt, es lieber mal drauf ankommen zu lassen und einen Prozess zu riskieren, als sich an die Regeln zu halten. Die Mietpreisbremse, die heute beschlossen wird, ist so schwach, dass sogar die Union zustimmen wird. Also, meine Damen und Herren, allein das sollte uns doch zu denken geben.

Das größte Problem sind die zahlreichen Ausnahmen. Für Neubauten gilt die Mietpreisbremse nicht, auch nicht für Neubauten, die schon elf Jahre alt sind und die jetzt vielleicht zum dritten Mal wiedervermietet werden. Sie gilt nicht, wenn die Vormiete schon höher war. 

Viele Vermietende berufen sich darauf, bringen dafür aber keine Belege. Am Ende belohnt dieses Gesetz überhöhte Mieten auch noch. Das ist doch wirklich ein Fall aus dem Tollhaus.

Wer umfassend modernisiert, muss sich ebenfalls nicht an die Mietpreisbremse halten. Auch bei möblierten Wohnungen und bei Zeitverträgen wird die Mietpreisbremse systematisch unterlaufen, und das nicht in Einzelfällen. Da werden ein Stuhl oder eine alte Couch ins Zimmer gestellt, und schon wird die Mietpreisbremse für diese Wohnung ganz legal umgangen. Das darf so nicht bleiben.

Diese ganzen Schlupflöcher - bei Modernisierung, bei möblierten Wohnungen und auch bei älteren Neubauten - müssen endlich geschlossen werden.
Meine Damen und Herren, das alles ist bekannt. Deswegen hatte der Generalsekretär der SPD, Tim Klüssendorf, angekündigt, die Mietpreisbremse werde im parlamentarischen Verfahren noch nachgebessert werden. 

Ja, der Gesetzentwurf ist nachgebessert worden, mit einem völlig fachfremden Paragrafen zur digitalen Prozessakte; aber keine einzige Verbesserung für Mieterinnen und Mieter wurde in das Gesetz aufgenommen. Das ist doch wirklich ein Hohn.

Meine Damen und Herren, wir als Linke legen heute tatsächlich ein Alternativprogramm vor. Mieterinnen und Mieter brauchen keine Beruhigungspille, sondern einen echten Mietenstopp. Ja, Herr Kollege Steffen von den Grünen, es gibt ein Bündnis für einen bundesweiten Mietenstopp, das wir als Linke unterstützen und das die SPD früher auch mal unterstützt hat. Ich nehme zur Kenntnis, dass die Grünen es nie unterstützt haben. Aber hier zu sagen, es würde nicht konzeptionell untersetzt, entspricht nicht den Realitäten.

Die Mietpreise müssen auf die ortsübliche Vergleichsmiete begrenzt werden. Das ist doch wirklich das Mindeste. Es braucht eine flächendeckende, also eine bundesweite Regelung, natürlich mit Abstufungen. Und es braucht endlich auch Kontrolle und Sanktionen bei Verstößen gegen die Mietpreisbremse, damit sie überhaupt greifen kann. Verstöße müssen endlich Konsequenzen haben; denn Mietwucher ist kein Kavaliersdelikt.

Meine Damen und Herren, zu guter Letzt: Wir reden heute nur über die Angebotsmieten. Wir müssen endlich auch an die Bestandsmieten ran. Es braucht für die Bestandsmieten eine gesetzliche Regelung. Wir nennen sie „Mietendeckel“. 

Dieser Mietendeckel kann das Wohnen wieder bezahlbar machen. Er würde dieses Land auch endlich wieder gerechter machen. Sie werden noch von uns hören.

(Beifall bei der Linken - Dr. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU): In Berlin sind 50 Prozent des Wohnungsmarktes eingebrochen durch Ihren Mietendeckel! - Gegenruf der Abg. Caren Lay (Die Linke): Seit Kai Wegner regiert, ja!)

Bundestagsrede von Caren Lay am 26.06.2025.

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Die Wohnungsfrage ist die soziale Frage unserer Zeit. Doch statt sie anzugehen, werden Fehlentwicklungen systematisch politisch gefördert. Wohnungen sind zu reinen Spekulationsobjekten verkommen. Hohe Nachfrage und sogenannte Zwangssanierungen lassen die Mieten explodieren und zwar nicht nur in den Großstädten, sondern auch im Umland. Menschen werden aus jahrzentelang gewachsenen, sozialen Strukturen gerissen, gentrifzierte Viertel zu Soziotopen der Besserverdienenden. Wie konnte es soweit kommen? Warum unternimmt die Politik so wenig, um Mietenwahnsinn und Spekulation endlich zu stoppen? Und was muss getan werden, damit Wohnen endlich wieder bezahlbar wird? Caren Lay nimmt die deutsche Wohnungspolitik der letzten 20 Jahre schonungslos unter die Lupe, zeigt auf, wie und warum Deutschland zum Eldorado für Wohnungsspekulation werde konnte, und liefert provokante Ideen für eine soziale Wohnungspolitik, die wir so dringend brauchen.

Erschienen bei Westend / 160 Seiten Leseprobe

Über mich
Ich bin Bundestagsabgeordnete und Sprecherin für Mieten-, Bau- und Wohnungspolitik sowie für Clubpolitik.