Anlegerschutzgesetz geht zentrale Probleme nicht an

11.02.2011
Caren Lay, DIE LINKE: Anlegerschutzgesetz geht zentrale Probleme nicht an

Frau Präsidentin!
Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Eines ist aus meiner Sicht unstrittig: Der Gesetzentwurf, den wir heute behandeln, ist längst überfällig. Aus Sicht der Kleinanlegerinnen und Kleinanleger kommt er viel zu spät. Denn jedes Jahr verlieren private Haushalte 20 bis 30 Milliarden Euro allein durch Falschberatung bei der Geldanlage. Vor diesem Hintergrund muss ich sagen: Es ist völlig inakzeptabel, dass Sie heute, zweieinhalb Jahre nach der Lehman-Pleite, sagen: Wir beschließen heute einmal ein kleines Paket, dann kommen der zweite, der dritte und der vierte Schritt. Das sagen Sie uns jetzt seit Beginn dieser Legislaturperiode. Das ist für uns als Opposition nicht mehr hinnehmbar.

Wir brauchen einfach nur diese Legislaturperiode zu betrachten. Der Rettungsschirm für Banken einschließlich vieler Milliarden Euro Steuermittel war natürlich ganz schnell gespannt. Auf einen Schutzschirm für Verbraucherinnen und Verbraucher, der diesen Namen wirklich verdient, warten wir bis heute. Wir als Linke haben als erste ein Gesamtkonzept für den finanziellen Verbraucherschutz vorgelegt; die anderen Oppositionsfraktionen sind bald gefolgt, übrigens häufig mit großen Übereinstimmungen. Vor diesem Hintergrund ist das, was die Koalition uns heute zur Abstimmung vorlegt, überaus mager und für uns nicht hinnehmbar.

Man muss eine ganz andere Einschätzung haben, wenn man hier von einem großen Wurf oder gar von einem Meilenstein für den Verbraucherschutz spricht. Die Regierung verläuft sich hier in Klein-Klein, und die wirklich zentralen Fragen des finanziellen Verbraucherschutzes werden überhaupt nicht angegangen. Deswegen kann ich mich in meiner Rede auch nicht nur auf das konzentrieren, was Sie falsch oder unzureichend regeln, sondern ich möchte auch die Dinge ansprechen, die in diesem Gesetzentwurf überhaupt nicht vorkommen, die aber dringend notwendig wären, wenn man im Interesse der Kleinanleger handeln möchte.

Das Kernanliegen von uns Linken ist immer, dass wir sagen: Wir können nicht die gesamte Verantwortung auf die Verbraucherinnen und Verbraucher abwälzen. Manche Finanzprodukte sind so intransparent, dass selbst Profis nicht durchblicken. Wie soll dann eine Verkäuferin sie verstehen, die vielleicht 3.000 Euro, die sie sich hart erspart hat, zur Bank tragen möchte, aber gar kein Vertrauen mehr hat, ob sie ihr Geld dort in sicheren Händen weiß? Wir sagen: Hier ist die Politik gefragt. Wir brauchen wirksame öffentliche Institutionen. Diese sind nach wie vor nicht geschaffen.

Als ersten Schritt hätte man sagen können: Man muss die Finanzaufsicht, die BaFin, stärken, indem man ihr den gesetzlichen Auftrag für den Verbraucherschutz gibt; auch wenn wir Linke dies für unzureichend halten, wäre es ein erster Schritt gewesen. In diesem Gesetzentwurf ist aber Fehlanzeige. Wir sagen: Auch Deutschland braucht endlich eine Verbraucherschutzbehörde für die Finanzmärkte, die auch aktiv vor Missständen warnen muss.

Das halten wir eigentlich für eine Selbstverständlichkeit. In Ihrem Gesetzentwurf ist aber Fehlanzeige, ebenso wie im Hinblick auf den Marktwächter und die Stärkung der Verbraucherzentralen, was seit langem gefordert wird.

Kommen wir zur Registrierungspflicht für Berater. Erstens gehen Sie mit der Registrierungspflicht das Kernproblem nicht an.
Das Kernproblem ist die provisionsgetriebene Beratung. Sie muss endlich überwunden werden.

Zweitens sind die überzogenen Verkaufsvorgaben, denen die Beraterinnen und Berater ausgesetzt sind, ein ganz zentrales Problem. Hier muss man ansetzen; denn diese Vorgaben setzen die Beschäftigten der Bank unter Druck. Auch diesen Mut haben Sie nicht aufgebracht.

Außerdem gibt es Finanzprodukte, die aus Sicht der Linken so unseriös sind, dass sie überhaupt nicht auf den Markt gehören. Deswegen fordern wir, wie viele andere, einen Finanz-TÜV. Auch davon ist im Koalitionslager noch nichts zu sehen.

Die fehlende Regulierung des Grauen Kapitalmarktes wurde mehrfach angesprochen; dabei geht es beispielsweise um die freien Vermittler. Die Regulierung soll jetzt auf die Gewerbeaufsicht der Länder abgewälzt werden.

Das ist wirklich ein völlig untaugliches Instrument, weil die Gewerbeaufsicht, die sich ansonsten zum Beispiel um den Nichtraucherschutz kümmert, hierfür überhaupt nicht ausgestattet ist. Ihr Gesetzentwurf ist ein Flickenteppich, den die Verbraucherverbände an dieser Stelle zu Recht kritisieren. Wir halten all das für den Gipfel einer falschen Politik, die nicht im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher ist.

Meine Damen und Herren, die Koalition ist vor der Bankenlobby eingeknickt. Der Kollege Sieling hat zu Recht gesagt, dass es dafür ab und zu ein Dankeschön gibt; Sie haben aus dem entsprechenden Schreiben zitiert. Eines haben Sie aber leider nicht erwähnt: Ab und zu wird auch ein großzügiger Scheck ausgestellt. Wenn man sich vor Augen hält, welche Beträge von Juli bis November letzten Jahres an Union und FDP geflossen sind, zum Beispiel von der Deutschen Vermögensberatung, muss man sagen: Das passt wirklich auf keine Kuhhaut.

Ich sage nicht, dass es an dieser Stelle einen Zusammenhang gibt. Fakt ist aber: Es gab Spenden in großer Höhe. Jeder sollte sich selbst einen Reim darauf machen, ob es hier einen Zusammenhang mit dem schwachen Gesetzentwurf, den Sie heute vorgelegt haben, gibt.

Vielen Dank.

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Die Wohnungsfrage ist die soziale Frage unserer Zeit. Doch statt sie anzugehen, werden Fehlentwicklungen systematisch politisch gefördert. Wohnungen sind zu reinen Spekulationsobjekten verkommen. Hohe Nachfrage und sogenannte Zwangssanierungen lassen die Mieten explodieren und zwar nicht nur in den Großstädten, sondern auch im Umland. Menschen werden aus jahrzentelang gewachsenen, sozialen Strukturen gerissen, gentrifzierte Viertel zu Soziotopen der Besserverdienenden. Wie konnte es soweit kommen? Warum unternimmt die Politik so wenig, um Mietenwahnsinn und Spekulation endlich zu stoppen? Und was muss getan werden, damit Wohnen endlich wieder bezahlbar wird? Caren Lay nimmt die deutsche Wohnungspolitik der letzten 20 Jahre schonungslos unter die Lupe, zeigt auf, wie und warum Deutschland zum Eldorado für Wohnungsspekulation werde konnte, und liefert provokante Ideen für eine soziale Wohnungspolitik, die wir so dringend brauchen.

Erschienen bei Westend / 160 Seiten Leseprobe

Über mich
Ich bin Bundestagsabgeordnete und Sprecherin für Mieten-, Bau- und Wohnungspolitik sowie für Clubpolitik.