Rede zum Gedenktag der Opfer des Faschismus in Salzenforst

10.09.2011
Caren Lay

Seit 1945 wird am zweiten Septembersonntag der Opfer des Faschismus gedacht. „Den Toten zur Ehre, den Lebenden zur Pflicht!“, lautet dabei unser Leitgedanke. Wir gedenken heute vor allem der 43 jüdischen Frauen, die hier, an diesem Ort, 1945 von der SS ermordet wurden.
Mit ihnen gedenken wir der Millionen Opfer des Faschismus.

An diesem Ort hat die SS 43 jüdische Frauen auf einem Todesmarsch kaltblütig ermordet. Werfen wir einen Blick auf das Datum, dann werden die Grausamkeit dieser Tat und die Wahnhaftigkeit der nazistischen Ideologie um so deutlicher:

Februar 1945: Der Krieg war zu diesem Zeitpunkt längst verloren. Die Befreiung durch die rote Armee und die Alliierten stand kurz bevor.

Warum, so fragt man sich, konnte die SS nicht – zu diesem Zeitpunkt wenigstens – die Gefangenen schonen?

Es zeigt uns aber auch: Die nazistische Ideologie war eben nicht das alleinige Werk von Adolf Hitler und weniger anderer. Der Vernichtungswahn gegenüber Jüdinnen und Juden wurde von breiten Bevölkerungsschichten getragen und basiert auf einer jahrhundertelangen Judenfeindlichkeit.

Und deshalb ist die Bekämpfung von Antisemitismus und Rassismus eine der wichtigsten Lehren, die wir aus dieser unheilvollen Geschichte ziehen müssen. Es ist unsere Verantwortung für die Zukunft.

Nicht nur am heutigen Tag, sondern an jedem Tag ist es unsere Aufgabe und Verantwortung, faschistisches Denken und Handeln in all seinen Erscheinungsformen und dessen Ursachen entschlossen zu bekämpfen. Auch über sechs Jahrzehnte nach den furchtbarsten Verbrechen der Menschheitsgeschichte ist diese Aufgabe, diese Pflicht, dieses Vermächtnis aktuell.

Menschenverachtende, rechte Ideologien versuchen in Deutschland und Europa wieder Fuß zu fassen. Sie säen Hass und Zwietracht zwischen den Menschen und Völkern und propagieren ihre rassistischen und antisemitischen Gedanken.

Auch heute versuchen rechte Agitatoren, die Schwächsten in der Gesellschaft zu Sündenböcken abzustempeln und sind damit verantwortlich für alle Gewalt, die diesen Menschen angetan wird. Rechte Gewalt fordert hier in Deutschland Jahr für Jahr zahlreiche Opfer. Deshalb gibt es nicht den geringsten Anlass, in unserem Kampf gegen alle menschenverachtenden und faschistischen Ideologien nachzulassen.

Im Gegenteil: „Wehret den Anfängen!“ lautet die tägliche Aufgabe aller Antifaschistinnen und Antifaschisten – all derer, die den Schwur von Buchenwald nicht vergessen lassen.

Die Überlebenden von Buchenwald hinterließen diesen Schwur:

„Wir stellen den Kampf erst ein, wenn auch der letzte Schuldige vor den Richtern der Völker steht. Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel. Das sind wir unseren gemordeten Kameraden und ihren Angehörigen schuldig.“

Das muss uns Verpflichtung für die Zukunft sein.

In unserem heutigen Gedenken erinnern wir daran, dass die Weltwirtschaftskrise 1929 den Nährboden bildete, auf dem faschistisches Gedankengut Verbreitung finden konnte. Wir wissen heute, was der Weltwirtschaftskrise des zwanzigsten Jahrhunderts folgte: Faschismus und Krieg!

Deshalb ist es auch unsere Aufgabe, Rassismus und Antisemitismus den sozialen Nährboden zu entziehen. Wir müssen die Wirtschaftskrise überwinden. Wir müssen die Wirtschaft sozial gestalten – auch um der Demokratie Willen.

Lasst unser heutiges Gedenken an die hier 1945 ermoderten Menschen zugleich Aufruf sein, der auch 2011 noch unsere tiefste Pflicht ist: „Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg!“

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Erschienen bei Westend / 160 Seiten Leseprobe

Über mich
Ich bin Bundestagsabgeordnete und Sprecherin für Mieten-, Bau- und Wohnungspolitik sowie für Clubpolitik.