Bericht vom Frauenplenum auf dem Bundesparteitag in Erfurt

27.10.2011
Caren Lay berichtet vom Frauenplenum

Liebe Genossinnen und Genossen,

Frauenrechte sind Kern linker Politik. So und nichts anders muss es sein, sonst verlieren wir unsere Glaubwürdigkeit.

DIE LINKE ist die Partei mit dem höchsten Frauenanteil.

Damit das auch so bleibt, müssen wir uns anstrengen. Wie ihr wisst ist der Frauenanteil bei den Neueintritten nicht sehr hoch und auch über mehr weibliche Wählerinnen würden wir uns freuen.

Wenn wir wollen, dass DIE LINKE wieder interessanter wird für Frauen dann gibt es aus meiner Sicht zwei Dinge zu tun:

Erstens: Wir brauchen Das eine herzliche, offene Atmosphäre, die von gegenseitigem Respekt geprägt ist.

Lasst uns eine offene Partei sein, eine Partei zum Mitmachen und lasst uns das auch ausstrahlen!

Dafür braucht es gute Rahmenbedingungen. Eine davon ist eine gute Kinderbetreuung. Das Frauenplenum wird daher u.a. beantragen, bei allen großen Parteitagen eine gute Kinderbetreuung sicherzustellen. Auf diesem Parteitag haben wir schon jetzt dafür gesorgt, ohne dass es in der Satzung erwähnt ist. Ich wünsche allen Kids viel Spaß bei Sport und Spiel. Die Eltern können sich darauf verlassen, dass ihre Kinder gut betreut werden und sich dann mit aller Aufmerksamkeit dem Antragsheft zuwenden.

Zweitens, und das ist entscheidend: Wir müssen alle unsere politischen Forderungen darauf überprüfen, ob sie für Männer und Frauen gleichermaßen stimmen.

Das Frauenplenum, das inzwischen schon zum 4. Mal getagt hat, und an dem 120 Frauen teilgenommen haben, hat dafür viele, konkrete Vorschläge entwickelt.

Das hat auch der Parteivorstand so gesehen und die meisten Anträge übernommen.

Das Frauenplenum hat den Leitantrag um folgende Forderungen bereichert:

- Die Anerkennung geschlechtsspezifischer Fluchtgründe

- Die Verbesserung der Pflegeversicherung

- Oder ein besserer Wiedereinstieg in den Beruf nach der Familienphase

Ganz besonders hat mich gefreut, dass der Parteivorstand die Forderung übernommen hat, dass jeder Mann und jede Frau, eine Rente bekommen soll. Niemand soll im Alter weniger als 900 Euro haben. Unser Konzept er „solidarischen Rentenversicherung“ soll für alle gelten, nicht nur für Erwerbstätige. Unabhängig von den Rentenpunkten.

Oder übersetzt: Wenn es nach der LINKEN geht, dann würde auch meine Oma eine gute Rente bekommen, die weder die Chance hatte, eine Ausbildung zu bekommen noch die 25 Beitragsjahre zu erreichen. Wenn es nach uns geht dann kann jeder Mensch im Alter in Würde leben, frei von Armut. Das ist auch die Botschaft, die von diesem Parteitag ausgehen soll.

Dieses Beispiel zeigt auch, dass es gut für alle ist, wenn wir die Gesellschaft aus Sicht der Frauen neu denken. Denn Altersarmut wird auch zunehmen für Männer relevant. Insbesondere im Osten - angesichts von Massenarbeitslosigkeit, Niedriglohn, Hartz IV und Leiharbeit. DIE LINKE ist die erste Partei, die darauf eine Antwort gefunden hat und ich freue mich sehr, dass das Frauenplenum dazu beigetragen hat!

Eines ist aus Frauensicht natürlich völlig klar: Einer Partei mit sozialistischem und feministischem Anspruch kann es nicht nur um Erwerbsarbeit gehen.

Die Frage, wer die Kinder erzogen, die Wohnung geputzt, das Essen gekocht und sich für die Gemeinschaft engagiert hat, die gehört genauso in unser Programm wie die Frage, wer den gesellschaftlichen Reichtum erwirtschaftet hat.

Im Zentrum der Debatte des Frauenplenums stand daher der Antrag Politik um Zeit. Weniger Erwerbsarbeit für alle, mehr Zeit für Freunde, Familie, Muße und Weiterbildung, so könnte man den Antrag zusammenfassen. Es geht nicht nur darum, die Verteilung von Einkommen und Vermögen, sondern auch Selbstbestimmung und Verfügung über Zeit zu einem zentralen Anliegen linker Politik zu machen.

Das Frauenplenum hat den Antrag „Politik um Zeit“ mit über Zweidritteln den Antrag beschlossen. Einige Frauen haben ein Minderheitenvotum dazu abgegeben und argumentieren, dass auch aus Frauensicht die Erwerbsarbeit im Vordergrund steht.

Auch der Parteivorstand hat diese 4- in einem-Perspektive mehrheitlich nicht übernommen, sie wird uns bei diesem Parteitag noch beschäftigen.

Insgesamt, hat der Leitantrag, über den wir heute beraten, auch aus Frauensicht deutlich gegenüber dem ersten Entwurf gewonnen. Da steht nämlich jetzt klipp und klar, dass das Patriachat keine Ableitung des Kapitalismus ist! Emanzipation und Gleichstellung sind kein „Nebenwiderspruch“, es ist Kern linker Politik!

Der Weg dorthin war zugegeben nicht immer ganz einfach. Wir können stolz darauf sein, dass sich diese Erkenntnis inzwischen durchgesetzt hat.

Liebe Genossinnen und Genossen,

wir diskutieren seit vielen Jahren, wie sich die Frauen in der Partei organisieren sollen.

Aus meiner Sicht ist es im Parteineubildungsprozess versäumt worden, diese Frage für alle zufriedenstellend zu klären.

Nach intensiver Diskussion liegt jetzt ein Votum vor. Das Frauenplenum wird den Vorschlag unterbreiten , einen Bundesrat LINKE Frauen in der Satzung zu verankern.

Als Bundesgeschäftsführerin kann ich nur sagen, dass ich es sehr begrüßen würde, wenn wir hier endlich zu verbindlichen Strukturen kommen. Denn jetzt entscheidet in Frauenfragen – auch bei Streitfragen – immer der Geschäftsführende Parteivorstand. Das ist bestimmt keine optimale Lösung. Vor diesem Hintergrund sage ich: Die Frauen sollten ihre Sachen selbst entscheiden - und zwar in demokratisch legitimierten Strukturen!

Aus meiner Sicht ist es auch eine Frage der Reife einer Partei, ob es eine eigenständige, durchsetzungsfähige, demokratisch legitimierte Frauenstruktur gibt. Eine Frauenstruktur, die nicht nur von den ausgewiesenen Feministinnen, sondern von allen Frauen getragen wird. Deshalb finde es auch eine gute Idee, im Kern eine föderale Struktur aufzubauen, in dem die Länder jeweils 2 Frauen delegieren.

Einige Frauen haben auch hier ein Minderheitenvotum abgegeben, in dem sie im Kern formulieren, dass die Gefahr besteht, dass sich zu viele Funktionärinnen hier tummeln werden und die bisherigen Satzungsregelungen ausreichen.

Trotz dieser Kritik wurde auch dieser Antrag am Ende mit einer guten Zweidrittelmehrheit vom Frauenplenum beschlossen.

Ich würde mich freuen, wenn der Parteitag die Mehrheitsentscheidung des Frauenplenums respektiert Vorschlag des Frauenplenums folgt..

Ich wünsche uns allen – den Frauen, den Männern und allen anderen eine gute Tagung!

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Die Wohnungsfrage ist die soziale Frage unserer Zeit. Doch statt sie anzugehen, werden Fehlentwicklungen systematisch politisch gefördert. Wohnungen sind zu reinen Spekulationsobjekten verkommen. Hohe Nachfrage und sogenannte Zwangssanierungen lassen die Mieten explodieren und zwar nicht nur in den Großstädten, sondern auch im Umland. Menschen werden aus jahrzentelang gewachsenen, sozialen Strukturen gerissen, gentrifzierte Viertel zu Soziotopen der Besserverdienenden. Wie konnte es soweit kommen? Warum unternimmt die Politik so wenig, um Mietenwahnsinn und Spekulation endlich zu stoppen? Und was muss getan werden, damit Wohnen endlich wieder bezahlbar wird? Caren Lay nimmt die deutsche Wohnungspolitik der letzten 20 Jahre schonungslos unter die Lupe, zeigt auf, wie und warum Deutschland zum Eldorado für Wohnungsspekulation werde konnte, und liefert provokante Ideen für eine soziale Wohnungspolitik, die wir so dringend brauchen.

Erschienen bei Westend / 160 Seiten Leseprobe

Über mich
Ich bin Bundestagsabgeordnete und Sprecherin für Mieten-, Bau- und Wohnungspolitik sowie für Clubpolitik.