Merkels Besuch in Athen verschärft soziale Konflikte

08.10.2012

Pressestatement der stellvertretenden Pateivorsitzenden, Caren Lay, im Berliner Karl-Liebknecht-Haus:

Guten Tag, ich möchte Sie ganz herzlich zu dieser Pressekonferenz begrüßen und heute zu vier Themen sprechen: erstens zu Griechenland, zweitens zur Debatte um die Nebeneinkünfte von Peer Steinbrück, drittens zu den Wahlen in Venezuela und viertens zur Lage in Syrien und im Nahen Osten.

Erstens zum Thema Griechenland: Der Besuch der Bundeskanzlerin, Angela Merkel, kommt erstens zu spät, und zweitens wird er kaum zur Beruhigung der Lage beitragen. Das ist schon deshalb zu befürchten, weil Angela Merkel nicht einmal den Versuch unternimmt, das Wort an die griechische Bevölkerung zu richten. Sie trifft sich mit Beamten und Ministern der Regierung, aber sie trifft keinen Politiker der Opposition, keinen Gewerkschaftsführer, keine Abordnung der Rentner oder der Erwerbslosen, die unter ihrer Politik leiden. Wenn Frau Merkel ein Zeichen der Versöhnung setzen will, dann muss sie das Gespräch mit den Bürgern suchen, mit Gewerkschaften, mit Erwerbslosen und mit den Rentnern. Wenn sie das nicht tut, dann wird ihr Besuch nicht zur Lösung der inneren Konflikte in Griechenland beitragen. Ansonsten wird Frau Merkel weiterhin nur als das Gesicht einer brutalen Sparpolitik gesehen. Frau Merkel wäre gut beraten, sich nicht als die schwäbische Hausfrau zu präsentieren, sondern sich vielleicht ein Beispiel an einer guten Sparkassendirektorin zu nehmen. Die hätte nämlich in jedem Fall ein Interesse daran, dass es ihren Schuldnern gut geht, dass ihre Schuldner wirtschaftlich wieder auf die Beine kommen, nicht nur, um die Kredittrancen und Zinsen auch erwirtschaften zu können, sondern auch um in Zukunft ein verlässlicher Geschäftspartner zu sein.

Was wir jetzt brauchen, ist ein Aufbauprogramm zur Ankurbelung der Wirtschaft in Griechenland. Doch durch die Politik von Frau Merkel und der Troika wird Griechenland keine Zukunft haben. In Griechenland wird es gerade im kommenden Winter an allem fehlen. Es fehlt den Kindern an bezahlbarer Milch, den Rentnerinnen und Rentnern an medizinischer Versorgung, den Diabetikern an Insulin, den Familien an Heizstoffen usw. Europa muss eine Antwort auf diese Katastrophe finden. Wenn daraus kein Flächenbrand werden soll, dann brauchen wir jetzt auch ein Aufbauprogramm für die griechische Wirtschaft.

Unser Parteivorsitzender, Bernd Riexinger, bricht in diesen Stunden auch nach Griechenland auf und wird sich dort selbst ein Bild von der Lage machen. Er wird sich mit dem Oppositionsführer und Chef des SYRIZA-Bündnisses zu politischen Gesprächen treffen. Er wird ein Krankenhaus besuchen und Gespräche mit Gewerkschaftern führen. Kurzum, unser Parteivorsitzender, Bernd Riexinger, wird mit den Menschen sprechen, die Angela Merkel nicht sehen und nicht hören will. Bernd Riexinger wird sich in Griechenland, anders als Angela Merkel, auf die Seite der griechischen Bevölkerung stellen, die gegen die brutalen Lohn-, Renten- und Sozialkürzungen protestieren. Er wird dort auch die Solidarität der LINKEN für diesen Kampf ausdrücken. Er wird zweitens unsere Forderungen der griechischen Regierung überbringen, ihre Finanzengpässe durch eine Solidarabgabe der griechischen Millionäre zu lösen. Er wird drittens auch unsere Idee einer europäischen Schuldenkonferenz einbringen, auf der die Staaten der Union über gemeinsame Auswege aus der Krise beraten sollen.

Ich komme jetzt zur Debatte über die Nebeneinkünfte von Peer Steinbrück: Die SPD hat sich mit der überstürzten Nominierung Peer Steinbrücks offenbar keinen Gefallen getan. Selten hat sich ein Kandidat so schnell selbst aus dem Rennen genommen. Peer Steinbrück ist jetzt das personifizierte Glaubwürdigkeitsproblem der SPD. Es ist offensichtlich, dass jemand, der Spitzenhonorare von Banken erhalten hat, offensichtlich nicht der richtige Kandidat für eine Sozialdemokratische Partei ist.

Ich möchte allerdings betonen, dass wir Peer Steinbrück nicht nur wegen der Debatte um die Nebeneinkünfte kritisieren, sondern vor allen Dingen für seine Politik. Er hat die Deregulierung der Finanzmärkte maßgeblich mit vorangetrieben. Er hat lange Zeit wesentliche Instrumente, wie beispielsweise die Finanztransaktionssteuer, abgelehnt. Und auch die Strategie der Bankenrettung ist mit seinem Namen verbunden. Es ist richtig, dass Union und FDP selbst mehr Transparenz bei den Nebeneinkünften verhindert haben. Dennoch sollte Peer Steinbrück sich an die eigene Nase fassen. Er hat alle Möglichkeiten genutzt, Umfang und Auftraggeber seiner Nebentätigkeiten bisher zu verschleiern. Wer als Politiker meint, dass Transparenz typisch in Diktaturen ist, der hat das Wesen der Demokratie nicht begriffen. Wer mit dem Begriff der Beinfreiheit die SPD offenbar auf seinen Kurs zwingen will, der ist einfach nur selbstherrlich und muss sich fragen lassen, was er auch von innerparteilicher Demokratie versteht.

Es ist richtig. Steinbrücks Kritiker aus der Koalition wollen seine Glaubwürdigkeit erschüttern. Aber dazu braucht es diese Heucheleien von CDU und FDP gar nicht. Das schafft Peer Steinbrück selbst. Wer sich als Ex-Minister von einer Anwaltskanzlei fürstlich für einen Vortrag entlohnen lässt, die man zuvor als Minister für teures Geld mit dem Schreiben von Gesetzentwürfen beauftragt hat, der hat in der Tat ein Glaubwürdigkeitsproblem. Ich finde es nicht klug, dass Steinbrück die genauen Honorarsummen nicht nennen will. Es erschließt sich auch niemandem, warum er Wochen braucht, um das Durchschnittshonorar zu berechnen.

Die SPD hat sich einen Kanzlerkandidaten gewählt, der polarisiert und der nicht zusammenführen will. Ich bin mir sicher, dass die SPD noch viel Freude mit diesem Kandidaten haben wird. Peer Steinbrück verschreckt Linke. Er verschreckt Grüne. Er verschreckt die Gewerkschaften. Ja, er verschreckt sogar Liberale. Da frage ich mich, wer die Steinbrück-SPD eigentlich noch wählen will. Peer Steinbrück steuert auf die große Koalition zu. Er wäre besser beraten, die Politik Angela Merkels mit einem sozialdemokratischen Profil zu kritisieren.

Für uns ist es als LINKE umso wichtiger, mit einem klaren linken Profil in den Wahlkampf zu ziehen. Wir werden am kommenden Wochenende unsere Wahlstrategien auf der Parteivorstandssitzung beraten.

Drittens, die Präsidentschaftswahlen in Venezuela: Bei der gestrigen Präsidentschaftswahl in Venezuela hat Amtsinhaber, Hugo Chávez, einen deutlichen Wahlsieg errungen und tritt damit eine dritte reguläre Amtsperiode an. Er erreichte rund 55 Prozent der bisher ausgezählten Stimmen. Sein Herausforderer liegt mit 45 Prozent dahinter. Das ist ein Vorsprung von 10 Prozent für Hugo Chávez. Es hat insgesamt eine sehr hohe Wahlbeteiligung von 81 Prozent gegeben. Wir gratulieren als LINKE Hugo Chávez zu seinem Wahlsieg. Seine Politik, die u.a. die Armutsbekämpfung in den Fokus setzt, wird von der Mehrheit der Bevölkerung mitgetragen.

Gleichzeitig möchten wir unseren Wunsch zum Ausdruck bringen, dass Hugo Chávez in den nächsten Jahren Schritte unternimmt, um Präsident aller Bürgerinnen und Bürger seines Landes zu werden, um die tiefe Spaltung in Venezuela zu überwinden. Pressemeldungen zufolge hat er ja bereits den ersten Schritt in diese Richtung getan und seinen Konkurrenten den Dialog angeboten.

Viertens, zur Lage in Syrien und im Nahen Osten: DIE LINKE ist sehr besorgt über die erneuten Grenzzwischenfälle zwischen Syrien und der Türkei. Syrien muss umgehend seine Angriffe auf die Türkei einstellen und zugleich die Angriffe auf die eigene Bevölkerung beenden. Täglich sterben Zivilisten, und die Welt schaut zu.

Wir fordern die Bundesregierung auf, hier mäßigend einzuwirken und insbesondere auch die guten Kontakte zur türkischen Regierung zu nutzen. Eine Internationalisierung des Krieges durch militärisches Eingreifen der Türkei hätte einen Flächenbrand ungeahnten Ausmaßes zur Folge, denn auch die Nachbarländer wären betroffen. Die Lage würde insgesamt weiter eskalieren und undurchsichtiger werden. Besonders vor dem Hintergrund des Atomkonflikts mit dem Iran, und in Anbetracht der Lage im arabischen Raum ist jede militärische Handlung unverantwortlich, da sie nur zur Eskalation beiträgt.

DIE LINKE lehnt jede Form militärischen Eingreifens strikt ab, da sie nur zu einer Verschlimmerung der Lage und zu einer Erhöhung der Opferzahlen führen würde. Die Bundesregierung muss aus unserer Sicht alles daransetzen, mäßigend auf die Konfliktpartner einzuwirken und sollte insbesondere das Gespräch mit dem NATO-Partner Türkei suchen.

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Die Wohnungsfrage ist die soziale Frage unserer Zeit. Doch statt sie anzugehen, werden Fehlentwicklungen systematisch politisch gefördert. Wohnungen sind zu reinen Spekulationsobjekten verkommen. Hohe Nachfrage und sogenannte Zwangssanierungen lassen die Mieten explodieren und zwar nicht nur in den Großstädten, sondern auch im Umland. Menschen werden aus jahrzentelang gewachsenen, sozialen Strukturen gerissen, gentrifzierte Viertel zu Soziotopen der Besserverdienenden. Wie konnte es soweit kommen? Warum unternimmt die Politik so wenig, um Mietenwahnsinn und Spekulation endlich zu stoppen? Und was muss getan werden, damit Wohnen endlich wieder bezahlbar wird? Caren Lay nimmt die deutsche Wohnungspolitik der letzten 20 Jahre schonungslos unter die Lupe, zeigt auf, wie und warum Deutschland zum Eldorado für Wohnungsspekulation werde konnte, und liefert provokante Ideen für eine soziale Wohnungspolitik, die wir so dringend brauchen.

Erschienen bei Westend / 160 Seiten Leseprobe

Über mich
Ich bin Bundestagsabgeordnete und Sprecherin für Mieten-, Bau- und Wohnungspolitik sowie für Clubpolitik.