Ein "Anti-Abzocke-Gesetz" mit vielen Lücken

18.04.2013
Caren Lay, DIE LINKE: Ein "Anti-Abzocke-Gesetz" mit vielen Lücken

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Das soll also jetzt das sogenannte Anti-Abzocke-Gesetz sein, auf das wir seit Jahren gewartet haben. Was die Bundesregierung aber hier und heute vorgelegt hat, hat mit dem ursprünglichen Gesetzentwurf in vielen Punkten leider nur noch wenig zu tun. Im jahrelangen Dauerstreit innerhalb der Koalition sind viele Forderungen verwässert oder verschlimmbessert worden. Das zeigt vor allen Dingen eines: dass die Bundesregierung nicht wirklich aus dem Knick kommt, wenn es darum geht, Verbraucherinnen und Verbraucher wirkungsvoll zu schützen. Meine Damen und Herren, es sind die Verbraucherinnen und Verbraucher, die die Leidtragenden dieser Politik sind.
Ich komme zum Thema der unseriösen Inkassounternehmen, die Millionen von Drohbriefen mit Geldforderungen verschicken. Interessant ist hier eine Untersuchung der Verbraucherzentrale aus dem Jahr 2011. Sie hat ergeben, dass 84 Prozent der Inkassoforderungen unberechtigt waren, in 15 Prozent der Briefe waren die Forderungen unklar, und in gerade einmal 1 Prozent der Fälle waren die Geldforderungen berechtigt. Das ist doch ein Skandal! Hier hätte die Koalition schon viel schneller reagieren müssen.
Auch wir als Linke freuen uns, dass künftig Inkassodienstleister, die falsche oder unvollständige Briefe verschicken, mit höheren Bußgeldern bestraft werden sollen. Unsere Befürchtung ist allerdings, dass das in der Praxis nichts bringen wird. Die Frage ist doch: Wer soll das eigentlich überwachen, und wer soll das durchsetzen? Wenn die Aufsicht von Inkassounternehmen auf sage und schreibe 79 Behörden zersplittert werden soll, dann ist das doch eine einzige Farce.
Wir sagen: Dieses Chaos muss im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher endlich beseitigt werden.
Wir von der Linken haben als erste Fraktion einen Antrag zur Regulierung von unseriösem Inkasso eingebracht. Wir fordern beispielsweise eine Verbraucherschutzbehörde, die von zentraler Stelle aus die Aufsicht übernimmt und auch Durchsetzungsbefugnisse hat. Auch die Gebührenregelungen sind aus unserer Sicht nichts Halbes und nichts Ganzes. Denn Fantasiegebühren im Inkassobereich bleiben weiterhin möglich, weil gerade im sogenannten Bagatellbereich, also bis 50 Euro, Ausnahmen vorgesehen sind.
Sie alle kennen möglicherweise den Fall der Münchner Rentnerin, der durch die Medien ging. Sie hatte beim Begleichen ihrer Telefonrechnung 5 Cent zu wenig bezahlt, sollte am Ende aber 35 Euro Inkassogebühr bezahlen. Das, meine Damen und Herren, ist doch völlig unverhältnismäßig. Aber die Bundesregierung unternimmt nichts, um das zu unterbinden. Das können wir als Linke nicht akzeptieren.
Ich komme zum zweiten zentralen Bereich des Gesetzentwurfes: zur unerlaubten Telefonwerbung. Es ist richtig: Am Telefon werden besonders gerne und besonders leicht betrügerische Verträge untergeschoben. Wir Linke und die Verbraucherorganisationen fordern deswegen schon lange als Lösung eine schriftliche Bestätigung. Gerade ältere Menschen trauen sich nicht, am Telefon zu widersprechen, wenn ihnen etwas aufgeschwatzt wird. Aber auch hier bleiben Sie bei der Umsetzung leider halbherzig. Ich kann überhaupt nicht erkennen ‑ mir bleibt das schleierhaft ‑, warum die schriftliche Bestätigung für telefonische Gewinnspiele gelten soll, aber andere wichtige Bereiche außen vor bleiben, beispielsweise Telefonverträge, Versicherungen oder Zeitschriftenabos. Keiner kann mir erklären, warum diese Bereiche in diesem Gesetzentwurf nicht reguliert werden.
Und auch beim dritten Punkt, der Abmahnindustrie im Internet, müssen wir das, was von der Koalition jetzt vorgelegt wurde, leider kritisieren. Viele Anwälte haben offenbar Abmahnungen als einen lukrativen Geschäftszweig entdeckt. Sie verschicken Hunderttausende von Abmahnbriefen für das Herunterladen von Musik, Filmen, Software aus dem Internet.
6 Prozent der Bevölkerung ‑ das sind mehr als 4 Millionen Menschen ‑ sind schon einmal wegen dieser illegalen Downloads abgemahnt worden. Das Problem ist: viele davon zu Unrecht. Ein anderes Problem sind auch die Kosten, die im Durchschnitt bei etwa 800 Euro liegen. Das ist für einen Jugendlichen, der sich an einer Tauschbörse Musik besorgt, jede Menge Geld. Deswegen sagen wir als Linke: Hier muss etwas passieren. Und ich freue mich, dass die Koalition diesen Punkt aufgegriffen und einige Gedanken aus dem Gesetzentwurf der Linken, den wir hier vor zwei Jahren eingebracht haben, übernommen hat.
Allerdings ist der Gesetzentwurf der Bundesregierung aus unserer Sicht an der entscheidenden Stelle nicht scharf genug, um die Abmahnwelle einzudämmen. Nach Einschätzung der Verbraucherzentralen würde das Gesetz sogar die Rechtslage der Verbraucherinnen und Verbraucher bei der Höhe der Anwaltskosten verschlechtern, weil es hier Ausnahmeregelungen gibt. Auch das können wir als Linke so nicht akzeptieren.
Meine Damen und Herren, wir als Linke fordern, dass die horrenden Abmahnkosten auf den tatsächlich entstandenen und nachgewiesenen Schaden begrenzt werden.
Das ist doch ein guter Gedankengang. Hier können Sie sich vielleicht noch einmal am Gesetzentwurf der Linken bedienen.
Ich hoffe jedenfalls sehr, dass wir im Rahmen der Behandlung dieses Gesetzentwurfs die dringend notwendigen Nachbesserungen im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher durchsetzen können. Die Verbraucherinnen und Verbraucher hätten es verdient.

Vielen Dank.

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Die Wohnungsfrage ist die soziale Frage unserer Zeit. Doch statt sie anzugehen, werden Fehlentwicklungen systematisch politisch gefördert. Wohnungen sind zu reinen Spekulationsobjekten verkommen. Hohe Nachfrage und sogenannte Zwangssanierungen lassen die Mieten explodieren und zwar nicht nur in den Großstädten, sondern auch im Umland. Menschen werden aus jahrzentelang gewachsenen, sozialen Strukturen gerissen, gentrifzierte Viertel zu Soziotopen der Besserverdienenden. Wie konnte es soweit kommen? Warum unternimmt die Politik so wenig, um Mietenwahnsinn und Spekulation endlich zu stoppen? Und was muss getan werden, damit Wohnen endlich wieder bezahlbar wird? Caren Lay nimmt die deutsche Wohnungspolitik der letzten 20 Jahre schonungslos unter die Lupe, zeigt auf, wie und warum Deutschland zum Eldorado für Wohnungsspekulation werde konnte, und liefert provokante Ideen für eine soziale Wohnungspolitik, die wir so dringend brauchen.

Erschienen bei Westend / 160 Seiten Leseprobe

Über mich
Ich bin Bundestagsabgeordnete und Sprecherin für Mieten-, Bau- und Wohnungspolitik sowie für Clubpolitik.