Die Dispo-Zinsen endlich gesetzlich deckeln

22.05.2014
Caren Lay, DIE LINKE: Die Dispo-Zinsen endlich gesetzlich deckeln

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Knietief im Dispo ist nicht nur der bekannte Titel des Comeback-Albums der Band Fehlfarben, sondern es ist auch traurige Realität für viele Verbraucherinnen und Verbraucher.

Jeder fünfte Deutsche hat sein Konto schon einmal überzogen. Viele Menschen, die davon betroffen sind, haben keine Möglichkeit, aus dieser Überschuldungsfalle herauszukommen. Deswegen fordern wir als Linke zum fünften Mal in diesem Hohen Haus: Eine Begrenzung der Dispozinsen muss endlich her.

Wer im Dispo steckt, dem kommt es ganz schön teuer zu stehen. Die Banken verlangen im Schnitt über 11 Prozent, wenn Bürgerinnen und Bürger im Dispo stecken. Aber ich frage mich zugleich: Was machen eigentlich die Banken, wenn sie frisches Geld brauchen? Die Banken machen es sich einfach. Die Banken gehen zur Europäischen Zentralbank und bekommen dort ihr frisches Geld zu einem Schnäppchenpreis. Der Leitzins der Europäischen Zentralbank liegt derzeit bei dem historischen Tief von 0,25 Prozent. Zu diesem Prozentsatz bekommen die Banken ihr Geld.

Schauen wir uns dies einmal näher an. Auf der einen Seite haben wir 0,25 Prozent Zinssatz für die Banken, und auf der anderen Seite fast 11,3 Prozent für die Verbraucherinnen und Verbraucher. Das ist eine Gewinnmarge von über 11 Prozent. Man könnte auch sagen: Es ist Abzocke auf Kosten der Verbraucherinnen und Verbraucher. Wir Linke sagen: Diese Bereicherung der Banken auf Kosten der Bürgerinnen und Bürger muss endlich beendet werden.

Wir sprechen hier nur von den Durchschnittswerten. Sehen wir uns die Höchstwerte an, dann wird es nur noch schlimmer. Bei der Volksbank Feldatal liegen die Dispozinsen beispielsweise bei 15 Prozent. Oder nehmen wir die Überziehungszinsen: Da liegt der Durchschnittswert bei 16 Prozent, und es gibt Höchstwerte von 22 bis 23 Prozent. Das kann wirklich nicht sein.

Meine Damen und Herren, ich habe es bereits erwähnt: Die hohen Zinsen treffen die Schwächsten, vor allen Dingen diejenigen Verbraucherinnen und Verbraucher, die keine Chance haben, einen anderen Kredit zu bekommen. Das sind diejenigen, die vielleicht auf den letzten Drücker den Strom, die Miete bezahlen müssen, damit sie nicht aus ihren Wohnungen fliegen. Auch deswegen verstehe ich nicht, dass die Politik es weiterhin sehenden Auges zulässt, dass die Banken hier Milliardengewinne machen; denn an jedem einzelnen Prozentpunkt des Dispo verdienen die Banken 400 Millionen Euro jährlich. Da kommt ganz schön was zusammen. Das kann so einfach nicht sein.

Das alles hätte längst vermieden werden können. Vor fünf Jahren hat die Fraktion Die Linke hier zum ersten Mal einen Antrag zur Deckelung der Dispozinsen eingebracht. Wir haben hier inzwischen vier Initiativen vorgelegt, über die abgestimmt wurde; sie sind allesamt abgelehnt worden, und es ist einfach nichts passiert.

Wir hatten in der letzten Legislatur eine Verbraucherministerin, die immer gesagt hat, dass sie das nicht gut findet. Dann hat sie die Banken zum Kamingespräch eingeladen. Da wurde ein bisschen geschimpft, und am Ende kam eine lasche Selbstverpflichtung heraus, aus der nichts geworden ist.

Dann gab es einen neuen Hoffnungsträger: Peer Steinbrück von der SPD. Er hat sich unserer Forderung im Grunde angeschlossen; das fanden wir sehr gut, das haben wir begrüßt. Da war vor einem Jahr von „Wucher“ die Rede; es hieß, das müsse gestoppt werden, die Zinssätze müssten gedeckelt werden. Da war gerade wieder Wahlkampfzeit. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt! - Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, die Sie diese Forderung in der letzten Legislatur unterstützt haben, ich frage mich ehrlich gesagt, wer für Sie eigentlich den Koalitionsvertrag verhandelt hat.

Es scheint mir so, als habe sich hier die CDU/CSU, die das schon immer durchweg blockiert hat, komplett durchgesetzt. Dazu heißt im Koalitionsvertrag ganz lapidar, dass der Dispokredit „nicht zu einer übermäßigen Belastung“ führen solle, dass es „einen Warnhinweis“ auf dem Kontoauszug gebe solle - einen solchen Warnhinweis gibt es schon heute: Ein fettes Minus ist ja wohl Warnhinweis genug - und dass dann eine „Beratung“ angeboten werden solle.

Meine Damen und Herren, das kann doch wirklich nicht sein. Das ist doch eine lasche Formulierung. Beratung statt Problemlösung - das ist Unsinn. Ein engagierter Schutz von Verbraucherinnen und Verbrauchern sieht nun wirklich anders aus.

Immerhin hat sich die Forderung, die wir von der Fraktion Die Linke aufgestellt haben, nach und nach durchgesetzt. Ich freue mich sehr, dass die Verbraucherschutzministerkonferenz in der letzten Woche einen entsprechenden Beschluss gefasst und die Bundesregierung aufgefordert hat, einen gesetzlichen Deckel einzuziehen. Es handelte sich übrigens um einen Antrag des rot-rot regierten Landes Brandenburg. Darüber freuen wir Linke uns natürlich ganz besonders.

Ich freue mich auch, dass dieser Antrag im Bundesrat eine Mehrheit gefunden hat.

Die Union hat ja hier, wenn die Einführung eines gesetzlichen Deckels für den Dispo wieder einmal ausgesessen und verhindert wurde, vor allen Dingen immer argumentiert: Na ja, es gibt eine Wahlfreiheit der Verbraucher; sie sind mündig und können einfach mal ihr Konto wechseln. - Abgesehen davon, dass es immer noch kein Recht auf ein Girokonto gibt, ist es sinnvoll, sich mit den Fakten vor Ort zu beschäftigen. Ich habe bei mir im Wahlkreis den Versuch gemacht; ich kann Sie nur auffordern, das auch selbst einmal zu tun. Man findet vielleicht eine Internetbank, die einen Dispo von etwa 8,5 Prozent gewährt. Aber da muss ich fragen: Für welche Rentnerin ist das denn wirklich eine Lösung? Wer eine Filialbank haben möchte, wer es gewohnt ist, buchstäblich zur Kasse zu gehen, wer eine direkte Beratung in Anspruch nehmen will, der kommt auch in meinem Wahlkreis Bautzen nicht mit Dispozinsen unter 10,95 Prozent davon. Deswegen sage ich: Der Bundestag, der Gesetzgeber muss hier endlich handeln.

Meine Damen und Herren, die Sie diese Debatte verfolgen: Wenn Sie im Saarland wohnen, haben Sie noch eine andere Chance. Hier hat nämlich der Landesverband der Linken Unterschriften für ein Bürgerbegehren gesammelt, damit wenigstens im Saarland endlich die Dispozinsen gedeckelt werden. Bis zum 22. September haben Sie noch Zeit, Ihre Unterschrift zu leisten. Darum möchte ich Sie, liebe Saarländerinnen, liebe Saarländer, ganz herzlich bitten. Und Sie, Liebe Kolleginnen und Kollegen, bitte ich: Stimmen Sie heute endlich für unseren Antrag!

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Die Wohnungsfrage ist die soziale Frage unserer Zeit. Doch statt sie anzugehen, werden Fehlentwicklungen systematisch politisch gefördert. Wohnungen sind zu reinen Spekulationsobjekten verkommen. Hohe Nachfrage und sogenannte Zwangssanierungen lassen die Mieten explodieren und zwar nicht nur in den Großstädten, sondern auch im Umland. Menschen werden aus jahrzentelang gewachsenen, sozialen Strukturen gerissen, gentrifzierte Viertel zu Soziotopen der Besserverdienenden. Wie konnte es soweit kommen? Warum unternimmt die Politik so wenig, um Mietenwahnsinn und Spekulation endlich zu stoppen? Und was muss getan werden, damit Wohnen endlich wieder bezahlbar wird? Caren Lay nimmt die deutsche Wohnungspolitik der letzten 20 Jahre schonungslos unter die Lupe, zeigt auf, wie und warum Deutschland zum Eldorado für Wohnungsspekulation werde konnte, und liefert provokante Ideen für eine soziale Wohnungspolitik, die wir so dringend brauchen.

Erschienen bei Westend / 160 Seiten Leseprobe

Über mich
Ich bin Bundestagsabgeordnete und Sprecherin für Mieten-, Bau- und Wohnungspolitik sowie für Clubpolitik.