Maximaler Aufwand und minimales Ergebnis bei der Frauenquote

30.01.2015
Maximaler Aufwand und minimales Ergebnis bei der Frauenquote

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Über ein Jahr wird nun schon lauthals und öffentlich über die Frauenquote für die Privatwirtschaft diskutiert. Es wurde zäh verhandelt, und es gab sage und schreibe sechs verschiedene Referentenentwürfe. Die Wirtschaftsvertreter warnten vor unzumutbaren Belastungen für die deutsche Wirtschaft, und Herr Kauder, der Fraktionschef der CDU/CSU-Fraktion, machte sich auch noch einen Namen als Obermacho des Deutschen Bundestages, als er Frau Schwesig als weinerlich beschimpfte; dabei hatte Herr Kauder ‑ ich sehe ihn gerade nicht ‑ wirklich harte Konkurrenz.

Warum das ganze Geschrei? Warum, um im Bild von Herrn Kauder zu bleiben, die ganze Heulerei? Ich könnte auch fragen: Wovor eigentlich die ganze Angst? Ja, es geht um schätzungsweise 180 Frauen, die von dieser festen Quote profitieren sollen. Sie hören richtig: Es geht um gerade einmal 180 Frauen in 108 Unternehmen. Wegen dieser kleinen Zahl von Frauen gehen die Union und die deutsche Wirtschaft seit Monaten auf die Barrikaden. Ich finde, das ist ein völlig lächerlicher Vorgang.

Was Sie hier heute vorlegen, Frau Schwesig, das ist leider keine effektive Frauenquote. Das ist maximal ein kleines Frauenquötchen, über das sich die Aufregung und der Widerstand gar nicht gelohnt haben. Mal abgesehen davon, dass diese Frauenquote gar nicht für alle Unternehmen gelten soll, legen Sie nicht eine Quote von 50 Prozent fest, sondern von gerade einmal 30 Prozent. Sie soll auch nicht für die Vorstände gelten, sondern lediglich für die Aufsichtsräte. Eine 30-Prozent-Quote, das ist maximal eine Herausforderung für die CDU/CSU-Fraktion, die hier im Haus mit 25 Prozent die geringste Frauenquote hat; aber an diesem niedrigen Niveau dürfen wir uns doch nun wirklich nicht messen lassen.

Deswegen ist jede Selbstbeweihräucherung bei diesem Gesetzentwurf völlig fehl angebracht. Das ist kein großer Durchbruch für die Frauen. Das ist bestenfalls ein Stillstand. Dieser ganze Vorgang belegt für mich, ehrlich gesagt, nur, dass die Männerbündelei in Deutschlands Vorstandsetagen und auch in der CDU/CSU-Fraktion leider immer noch ziemlich gut funktioniert. Das müssen wir endlich einmal ändern.

Was soll denn in den anderen 3 500 Unternehmen passieren? Ja, sie sollen sich Zielgrößen geben, die sie selbst definieren. Was passiert eigentlich, wenn sie sie nicht einhalten? Oh, dann passiert gar nichts. Das ist doch im Kern nichts anderes als eine freiwillige Selbstverpflichtung, die schon in der Vergangenheit nichts, aber auch gar nichts gebracht hat. Wir können das nicht akzeptieren.

Selbst die kleinen Fortschritte, die wir für Frauen in der Privatwirtschaft erreichen, erkaufen wir uns mit Verschlechterungen für Frauen im öffentlichen Dienst. Hier gilt jetzt eine 50-Prozent-Quote. Das Problem ist ja nicht die Quote, sondern die schlechte Umsetzung in der Praxis. Anstatt sich zu überlegen, wie wir das ändern können, wie wir das verbessern können ‑ dazu gibt es kluge Vorschläge ‑, hängen Sie einfach die Latte niedriger. Statt einer Quote von 50 Prozent soll jetzt eine Quote von nur noch 30 Prozent gelten, um sie in ein paar Jahren wieder auf 45 Prozent anzuheben. Da lobt man sich eigentlich Frau Merkel, die vor 20 Jahren die 50-Prozent-Quote eingeführt hat. Jetzt wollen wir es wieder abschwächen. Das ist doch völlig absurd. Ich finde, hier könnte die Kanzlerin ein Machtwort sprechen.

In der Kritik steht ja auch das Bundesgleichstellungsgesetz, das jetzt - ich finde, ohne Not - in einem Aufwasch mit geändert werden soll, übrigens zum Schlechteren. Bislang galt das Prinzip der Frauenförderung, jetzt soll es geschlechtsneutral gestaltet werden. Das soll sicherlich schön modern daherkommen: Man ist jetzt nicht für mehr Frauen, sondern vielleicht für mehr Geschlechtergerechtigkeit. Man ist vielleicht zur Einschätzung gekommen, dass Feminismus out ist, und hat einen neuen Begriff erfunden: die Geschlechteransprache. Was sich für mich wie eine Wortneuschöpfung aus einem Satiremagazin anhört, soll jetzt offiziell in einem Gesetz des Deutschen Bundestages enthalten sein. Das kann ich einfach nicht glauben.

Wissen Sie: Mehr männliche Grundschullehrer, mehr Kitaerzieher, das fände ich wirklich richtig gut. Das Problem ist aber nicht, dass Männer bei der Einstellung diskriminiert werden, das Problem ist doch, dass dieser Beruf für Männer offenbar viel zu wenig attraktiv ist. Deswegen sagen wir als Linke: Verbessern Sie endlich die Bezahlung in diesen Berufen - dann werden diese Berufe vielleicht auch für Männer attraktiver -, aber lassen Sie die Finger von der Frauenquote.

Die Aufstiegschancen für Grundschullehrer sind übrigens ziemlich gut. Denn in den Schulleitungen sind Männer ja deutlich überrepräsentiert.

Wir fragen uns nach der Notwendigkeit dieser Neuregelung: Frauenquote weg, dafür aber die Geschlechteransprache einführen. Das ist doch wirklich eine Verkennung der Tatsache, dass Frauen in unserer Gesellschaft immer noch strukturell benachteiligt werden: 20 Prozent verbeamtete Staatssekretärinnen in den Bundesministerien, 23 Prozent Abteilungsleiterinnen, nur jede fünfte Professur ist mit einer Frau besetzt. Da fragt Kristin Rose-Möhring, die Gleichstellungsbeauftragte in Ihrem Ministerium, Frau Schwesig, völlig zu Recht in einem Schreiben an uns: Es erschließt sich nicht, warum ein grundsätzlich gutes Gesetz einem schlechteren weichen soll. - Mir erschließt es sich auch nicht.

Um zum Abschluss den Blick von den Führungsetagen wegzulenken, schauen wir uns einmal an, wie es bei den normalen Beschäftigten aussieht. Seit vielen Jahren und noch immer verdienen Frauen für die gleiche Arbeit im Schnitt 22 Prozent weniger als Männer. Damit liegt Deutschland im europäischen Vergleich auf dem drittletzten Platz. Ich finde, in Sachen Gleichstellung ist Deutschland ein Entwicklungsland. Es wird höchste Zeit, dass wir das ändern. Mit diesem Gesetzentwurf wird es nicht gelingen.

Wir könnten es in diesem Hohen Hause ändern. Die SPD hat mehr gewollt. Die Grünen wollen mehr. Wir als Linke wollen sowieso mehr.

Ich hoffe, ehrlich gesagt, auf ein paar mutige Frauen in der CDU/CSU-Fraktion. Machen Sie mit! Helfen Sie uns, diesen Murks zu verändern und zu verbessern, damit am Ende doch noch ein gutes Gesetz dabei herauskommt. Die Frauen in diesem Land hätten es verdient.

Vielen Dank.

Buchempfehlung:
Buchcover

Die Wohnungsfrage ist die soziale Frage unserer Zeit. Doch statt sie anzugehen, werden Fehlentwicklungen systematisch politisch gefördert. Wohnungen sind zu reinen Spekulationsobjekten verkommen. Hohe Nachfrage und sogenannte Zwangssanierungen lassen die Mieten explodieren und zwar nicht nur in den Großstädten, sondern auch im Umland. Menschen werden aus jahrzentelang gewachsenen, sozialen Strukturen gerissen, gentrifzierte Viertel zu Soziotopen der Besserverdienenden. Wie konnte es soweit kommen? Warum unternimmt die Politik so wenig, um Mietenwahnsinn und Spekulation endlich zu stoppen? Und was muss getan werden, damit Wohnen endlich wieder bezahlbar wird? Caren Lay nimmt die deutsche Wohnungspolitik der letzten 20 Jahre schonungslos unter die Lupe, zeigt auf, wie und warum Deutschland zum Eldorado für Wohnungsspekulation werde konnte, und liefert provokante Ideen für eine soziale Wohnungspolitik, die wir so dringend brauchen.

Erschienen bei Westend / 160 Seiten Leseprobe

Über mich
Ich bin Bundestagsabgeordnete und Sprecherin für Mieten-, Bau- und Wohnungspolitik sowie für Clubpolitik.